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Der Musiker Arto Lindsay.

© Volksbühne

Arto Lindsay live: Wellenbrecher

Zwischen Bossa und Chaos: Lärmlegende Arto Lindsay gibt ein aufregendes Konzert in der Berliner Volksbühne.

Der Zeitpunkt könnte kaum besser sein: Während bei der WM der Ball ruht und im Haus der Kulturen der Welt der brasilianische Jazz-Pianist Sergio Mendes die Leere zwischen den Spielen mit fröhlichen Hüftschwing-Rhythmen umdribbelt, entführt die New Yorker Krachlegende Arto Lindsay in der Volksbühne direkt ins kaputte Herz Brasiliens. Damit ist aber nicht der verletzte Stürmerstar Neymar gemeint, sondern eine Musik, die das Sentimentale und die Gelassenheit des Bossa Nova mit einem verzweifelten Gitarrenkreischen zusammenlegt.

1953 in Virginia geboren, kam der Missionarssohn mit sechs Jahren nach Brasilien, wo er sich mit der Magie des Tropicalismo von Caetano Veloso oder Gilberto Gil infizierte, bevor er in den Siebzigern nach New York ging und mit seiner anarchischen „Skronk“-Gitarre die aufkeimende No-Wave-Szene prägte. Mitte der Achtziger wendete er sich dem Pop zu und integrierte brasilianische Einflüsse in seine Musik – eine „Mischung aus Samba und dem Soul von Al Green“, die ihm erst später richtig gut gelungen ist, mit sieben Solo-Alben zwischen 1995 und 2004.

Arto Lindsay singt flüsternd und lakonisch schwebend

Der Mann mit dem schütteren Haar und der runden Brille, der in Rio und New York lebt, stellt in der Volksbühne klar, dass sein merkwürdiges Repertoire noch längst nicht aufgebraucht ist und er sich seine Radikalität bewahrt hat. Dabei wird er von vier US-brasilianischen Musikern begleitet. Mit Bass, Keyboard, Schlagzeug und Sambatrommeln schaffen sie ein sprühendes Bühnenbild für Lindsay, der seine zwölfsaitige Anarcho-Gitarre in den brasilianisch unterwühlten Schüttel-Groove fallen lässt. Einfach unglaublich, wie er zwischen den Noten spielt, die Akkorde zerhackt und aus den Resten die schönsten Melodien emporsteigen lässt. Widersprüchlich, stolpernd, aber auch zärtlich und filigran!

Ein Teil der Faszination geht von Lindsays Stimme aus. Fast flüsternd, wund und lakonisch schwebt sie durch die Töne. Cool gequengelte Poesie auf Englisch und Portugiesisch, um die herum die Musik explodiert, Klangchaos trifft auf sehnsuchtsvolle Bossa-Melodien und funky stuff. In 80 betörenden Minuten zeigt sich Arto Lindsay als moderner Barde, dem der wildeste Gitarrenlärm als Basis für erschütternde Balladen oder heiter beschwingte Popsongs dient. So aufregend, so schön.

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