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Der Musiker Asaf Avidan.

© Ojoz/Universal

Asaf Avidan live: Höchste Gefühle

Inbrunst und innere Stimme: Der israelische Musiker Asaf Avidan mit seiner Band im Berliner Kesselhaus.

Die einen finden, sein Gesang erinnere an Robert Plant. Andere meinen, er klinge nach Janis Joplin. Was entweder Blasphemie oder einfach zu hoch gegriffen ist, selbst bei einem Countertenor. Aber dann, bei seinem Auftritt im ausverkauften Kesselhaus in der Berliner Kulturbrauerei, glaubt man plötzlich Stimmen zu hören, wenn auch seltsam verzerrt: Amy Winehouse? Ein mit Helium abgefüllter Nick Cave? Und wie er seine Band vorstellt, mit poetischem Überschwang: Hat er das nicht von Leonard Cohen? Und zieht er vielleicht nicht die Luft durch die Mundharmonika wie ein gewisser Bob Dylan?
Asaf Avidan, der 34-jährige Sänger und Musiker aus Israel, ist kein Stimmenimitator. Es scheint sich mit seinem Organ eher so zu verhalten, dass es Strömungen und Modulationen der Rock- und Pop-Geschichte wiedergibt, sie finden bei ihm ein Echo und werden transformiert in eine Höhenlage, in der Schmetterlinge flattern und Kolibris kreischen. Oder versucht sich ein verliebter Kater mit verstellter Stimme anzuschleichen?
Avidans Songs hallen von Herz und Schmerz. Er ist eine Melodrama-Queen. Einmal unterbricht er seinen Auftritt, um über Kosmos und Physik und Entropie zu reden, fast wie ein Prediger. Entropie, ein Begriff aus der Thermodynamik, beschreibt – im Groben – Wärme und Wärmeaustausch. Avidan will viel von sich geben, er hat Soul, wirkt aber immer kontrolliert, wenn auch nicht so zynisch wie der arme, 2009 verstorbene Willy de Ville, der zu Anfang des Konzerts durchklingt.

Das liegt an den weichen Arrangements der Gitarren, der Orgel, der Sängerinnen – und dem flirrenden Timbre. Avidans Musikerinnen haben Modelfiguren und langes Haar, daneben macht er sich zart und schmächtig aus. Sie spielen die Songs aus dem neuen Album „Golden Shadow“, und da ist kaum einer, der nicht über verlorene Liebe klagt. Später wird es rhythmisch härter, rockiger – und wieder inbrünstig, intim, wenn Avidan solo singt, dann auch den Hit „The Reckoning Song“. Er ist etwas Gefährlich-Verführendes in seiner Intonation, das einen verfolgt, wie die zähe Natur einer kaputte Liebe. Höchste Gefühle, höchste Alarmstufe. Es gibt auch Leute, die sagen, Asaf Avidan klinge wie eine Katze, der man den Schwanz anbrennt. Aber man weiß ja: Katzen haben neun Leben. Wenigstens so viele Register hat Avidan. Und so viel Charakter.

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