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Heldin,Geliebte, Verführerin, Vamp. Asha Bhosle hat viele Gesichter.

© Promo

Asha Bhosle in Berlin: Die Königin der tausend Filme

Die 82-jährige Bollywood-Legende Asha Bhosle gibt in Berlin ein sensationelles Konzert - bei der Wassermusik des Hauses der Kulturen der Welt.

Irgendwann trifft es jeden. Man hört ein Lied, eine Melodie, eine Stimme, und sofort entsteht eine Euphorie, wie wenn man sich gerade verliebt hätte. Und muss man sich nicht in die Stimme von Asha Bhosle verlieben, die sich mit ihrer älteren Schwester Lata Mangeshkar sieben Bollywood-Jahrzehnte lang weltweit in die Herzen unzähliger Fans gesungen hat? „There’s dancing behind movie scenes / Behind the movie screen – Asha Bhosle / She’s the one that keeps the dream alive / From the morning, past the evening / To the end of the light“, sang 1997 Tjinder Singh von der britischen Band Cornershop im Smash-Hit „Brimful of Asha“, einer zauberhaften Hommage an die Playback-Sängerin, die vor 72 Jahren zum ersten Mal vor einem Mikrofon stand und später auch mit den Black Eyed Peas, Boy George, Michael Stipe und dem Kronos Quartet gesungen hat.

Mit über 13 000 Einspielungen in mehr als 20 Sprachen seit 1943 hat sie mittlerweile sogar ihre Schwester abgehängt und erhielt 2011 einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde als „most recorded artist in music history“. Dabei begann ihre Karriere zögerlich. Sie hatte den Ruf einer Schnulzensängerin und wurde wenig ernst genommen, bevor sie ihr späterer Ehemann, der Erfolgskomponist RD Burman, entdeckte. Er wusste ihre enorme Wandlungsfähigkeit zu schätzen, mit der sie problemlos die unterschiedlichsten Rollen ausfüllte: Heldin, Verführerin, Betrogene, Geliebte, Vamp.

„Asha Bhosles Gesangsnuancen ermöglichten Generationen von Schauspielerinnen auf der Leinwand zu knospen und Blüten zu treiben“, schrieb ein Kritker einmal über die Sängerin, die an Burmans Seite endgültig zur Bollywood-Queen wurde, deren Popularität mit keinem westlichen Popstar vergleichbar ist. Ihre heißgeliebten Evergreens, die früher vorzugsweise in indischen Lebensmittelläden zu bekommen waren, bevor in den Neunzigern die ersten Bollywood-Sampler erschienen, stehen heute als Downloads zur Verfügung.

Längst ist dabei auch eine neue Generation von Musikern herangewachsen, die das kollektive Gedächtnis elektronischer Musikmaschinen dazu benutzt, die neuesten Beats mit Samples aus indischen Tanzfilmen aufzuladen. So hat der beliebte Klangbastler Four Tet zuletzt die Stimme von Lata Mangeshkar äußerst effektvoll für sein neues Raga-House-Album „Morning / Evening“ eingesetzt, das in Clubs geradezum Dauerbrenner avanciert.

Nun ist Asha Bhosle zum ersten Mal in Deutschland aufgetreten, beim Wassermusik-Festival im Haus der Kulturen der Welt, das in diesem Jahr unter dem Titel „Mother India“ die kulturelle Vielfalt des asiatischen Subkontinents präsentiert. Das ausverkaufte Konzert auf der Wiese am Spiegelteich vor dem HKW gehörte erwartungsgemäß zum Anrührendsten, was einem unter der Bezeichnung Pop vorgeführt werden kann. Allein das Glück, die 82-jährige Sängerin noch einmal in ihrer ganzen Vitalität erleben zu dürfen, machte es so besonders.

Die Augen beginnen zu leuchten, der Mund lächelt, wenn sie ihre Stimme dehnt und streckt und dabei so in sich geht, dass aus jedem Song eine persönliche Botschaft wird. Dabei klingt ihr Gesang erstaunlicherweise noch immer so frisch und mädchenhaft wie vor 50 Jahren. Begleitet von einer neunköpfigen Band, die ihr mit rastlos donnernder Perkussion, Doppel-Keyboards, Schlagzeug, Bass, Gitarre und Akkordeon eine sprühende Kulisse baut.

Plötzlich erscheint ihre 13-jährige Enkelin auf der Bühne

Mittendrin taucht mit Amit Kumar auch der Sohn des Bollywood-Sängers Kishore-Kumar auf, mit dem Asha Bhosle 656 Duette gesungen hat. Mit breiter Brust knödelt er sich durch ein RD-Burman-Medley. Dann kommt noch Asha Bhosles 13-jährige Enkelin Zanai hinzu, die tapfer durch zwei „moderne“ Lieder singt, bevor die Oma wiederum ein traditionelles Stück ihrers Vaters Deenanath Mangeshkar vorträgt – so warm und innig, das man glaubt, einen unverstellten Blick in die Seele Indiens zu werfen.

Zwischendurch erzählt Asha Bhosle Geschichten, die, wie an der Reaktion des Publikums zu erkennen ist, offenbar ausgesprochen lustig sind – für alle, die ihnen ohne Untertitel folgen können. Dann wieder lässt sie ihre Finger tanzen und singt sich lässig durch eine Reihe von Golden Oldies. Manche Stücke erscheinen zwar bonbonfarben und saccharinsüß einfärbt, doch es ist ein herrlicher Kitsch – ebenso fern von einer klischierten Bollywood-Inszenierung wie von Weichspül-Hindi-Pop.

Was für ein Spaß, wenn sie beim Finale mit den Überhits „Piya Tu Ab to Aaja“ aus „Caravan“ und „Dum Maro Dum“ aus „Hare Rama Hare Krishna“ auf die Bongos trommelt und nicht davor zurückschreckt, dem Gitarristen bei einem feurigen Solo das Mikrofon vor die Saiten zu halten. Da steht sie, barfuß im weißen Glitzer-Sari: „Mother India“ oder „Sadi Rani“ – unsere Königin, wie sie in dem Song von Cornershop auf Punjabi genannt wird. Mit einem milden Lächeln nimmt Asha Bhosle die Verehrung so selbstverständlich entgegen wie der Berliner Festivalbesucher sein Papadam am Essensstand beim traditionellen Wassermarkt.

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