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Kultur: Astrale Klarheit

Schaut her, wir sind auch ein Uraufführungsorchester von Rang! Das verkünden in dieser Saison voller Stolz die Philharmoniker und präsentieren zwei Konzerte unter dem Motto "Uraufführungen beim Berliner Philharmonischen Orchester".

Schaut her, wir sind auch ein Uraufführungsorchester von Rang! Das verkünden in dieser Saison voller Stolz die Philharmoniker und präsentieren zwei Konzerte unter dem Motto "Uraufführungen beim Berliner Philharmonischen Orchester".Im ersten Konzert dirigierte Zubin Mehta mit der ihm eigenen lockeren Brillanz und sinnenfreudigen Klangentfaltung Arnold Schönbergs Variationen für Orchester op.31, aufs beziehungsvollste eingerahmt von den Haydn-Variationen und der 2.Sinfonie von Brahms - war der doch gerade wegen seiner avancierten Variationswerke der besondere Lieblingskomponist von Schönberg .

Als Wilhelm Furtwängler 1928 mit "seinem" Orchester Arnold Schönbergs Variationen für Orchester op.31 aus der Taufe hob, war dem damals heillos überforderten Philharmonischen Publikum offenbar nicht bewußt, daß gerade dieses erste zwölftönige Orchesterwerk von Schönberg einen deutlichen Traditionsbezug aufweist.Nicht nur dem Kontrapunktiker Bach erweist Schönberg seine Reverenz und fügt gleich mehrfach das b-a-c-h-Motiv in die komplex-polyphone Gesamtstruktur ein, er huldigt obendrein auch unüberhörbar den Wiener Klassikern.Da gibt es, wie bei Mahler, einige lyrisch-nostalgische Momente, aber auch eine astrale Klarheit, wie sie nur Schönberg komponieren konnte, und eine Reihe artifiziellster Klangspiele von hohem Reiz.

Gerade die Wienerischen Bezugspunkte wie die spielerisch-artifizielle Seite der komplizierten Partitur brachte Zubin Mehta mit ungezwungener Souveränität mit den Philharmonikern heraus, die ihrerseits mit außerordentlicher Eleganz und charmanter Leichtigkeit ein kleines Klangfarbenwunder, eine hochexpressive Geste, eine kühne dynamische Wirkung in einem lückenlosen Klangprozeß aneinanderreihten.Von einem "Pfeif-Skandal", wie ein Kritiker im Dezember 1928 die Uraufführung beschrieben hatte, beziehungsweise von einer "energischen Notwehr" des Publikums "gegen die fratzenhaften Gebilde des Schönbergschen Atonalismus" kann bei der delikaten Wiederaufführung (der wievielten eigentlich?) in der neuen Philharmonie nun wahrlich keine Rede mehr sein.Der Applaus war sogar spontaner als nach den weit weniger pointiert und spannungsvoll musizierten Haydn-Variationen.Das war ein Schönberg, wie man ihn in solch schöner Transparenz, solcher Eloquenz und Ausdrucksdichte nicht alle Tage hören kann.

ECKART SCHWINGER

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