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Kultur: Attacke auf Weihnachten

Eine liebe, anmutige, rührende, sozusagen pfefferkuchenduftende Geschichte soll es nicht sein.Der Tannenbaum wird geköpft, die Kugeln zerplatzen, die knusprigen Plätzchen rasseln vom Blech und verwandeln sich in Bodenmüll.

Eine liebe, anmutige, rührende, sozusagen pfefferkuchenduftende Geschichte soll es nicht sein.Der Tannenbaum wird geköpft, die Kugeln zerplatzen, die knusprigen Plätzchen rasseln vom Blech und verwandeln sich in Bodenmüll.Und brave Kinderchen, mit rotglühenden Wangen auf die stille heilige Nacht wartend, gibt es schon gar nicht.

Oliver Bukowski greift das Weihnachtsmärchen beherzt an, um es auf andere Art der Bühne zurückzugeben: frech, derb, mit polternder Wirkungslust und parodistischer Hinterlist.Dafür werden Ungetöse und Groppsack, zwei halbwüchsige Lügenrüpel, für pädagogischen Beschuß aller Art freigegeben.Erfolglos bleiben, zunächst, das sanfte Dienstmädchen Lucy und Vater Zimtkringel, der überall, nur nicht zu Hause Pudding kocht.Aber auch ein diensthabender Weihnachtsengel und ein schwarzpulvriger Höllenmensch stiften nur Verwirrung und krampfende Angst.Bis Lucy beschließt, auf fremde Hilfe zu verzichten, schön und selbständig zu werden und in die Welt zu reisen.Die ob solchen Wandels verblüfften und "geheilten" Buben, aber auch der in Liebe entflammte Vater bleiben erst einmal zurück.Dennoch: Weihnachten darf gefeiert werden, auch ohne Happy-End.

Bukowski haut, seinem Helden Ungetöse gleich, kräftig aufs Trommelblech.Und schlägt die Geschichte vom Kind in der Krippe, von Maria und Josef, von den drei Königen doch nicht zu Schanden.Er zeigt, wie Hollywood mit der "Story" umgehen würde - und rabiates Fernsehen; hirnloser Comedy-Unfug und kitschige Titanic-Gefühligkeit sind in das Märchen vermengt, nicht zornig, sondern mit unbändigem Spaß.Die Kinder erkennen die Vorbilder durchaus, sind atemlos dabei, und singen zum Schluß, nachdem auch der Weihnachtsmann seinen Auftritt hatte, begeistert das Lied zum Abschied und zur erhofften Wiederkehr des plötzlich so strahlend hübschen Dienstmädchens: "Goodbye Lucy Hallo Lucy".

Hans-Joachim Frank hat das knuffige Märchen mit der Musik von Jörg Hube auf dem mehrstufigen Bühnenturm von Anne-Kathrin Hendel im Kesselhaus der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg so inszeniert, daß alles seine bodenständige Deutlichkeit hat, hübsch übertrieben und bunt und kräftig herausgeputzt ist.In jeder Figur steckt die manchmal durchaus grimmige, zumeist aber doch freundliche Parodie der Figur, die Darsteller geben ihrem Affen Zucker und machen keinen Hehl daraus.Das bewußt Forsche des Spiels beruht auf sportlich unbekümmerter Gelenkigkeit, und die deutlichen Fingerzeige aufs Heitere hin wollen Sentimentalität beherzt angreifen und dafür fröhliches, ehrliches Feiern eines alten Festes befördern.Katrin Schell (Lucy) macht so aus naiver Sanftmut liebreizende Entschlossenheit, Thomas Pötzsch (Zimtkringel) turnt beflügelt und erotisch befeuert über Podeste und Stufen, Johannes Achtelik (Ungetöse) und Simone Frost (Groppsack) produzieren polternde Bosheit, klappernde Angst und nette Normalität mit unbedenklich sympathischer Frische.Marie Gruber als Weihnachtsengel Lucky knallt eine berlinische Rotzgöre mit goldenen Flügeln auf die Bretter, die jedem Hinterhof Ehre machen würde.Und Bernhard Geffke spielt den Mac Biestian so feuersprühend freudvoll entsetzlich, daß man ihm am Ende den Engel als Frauchen durchaus gönnt.

Oliver Bukowski, vom theater 89 entdeckt und dort mit drei Stücken erfolgreich aufgeführt, kehrt nach diesem Zwischenspiel zu den bösen Geschichten aus brandenburgischem Alltag zurück.Die Tragödie "Gäste" wird das "theater 89" im März 1999 in Niedergörsdorf herausbringen, die Berliner Premiere folgt im Mai.

Wieder am 9.und 10.Dezember, jeweils 9.00 und 11.00 Uhr, Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97.

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