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Kultur: Auch die Kultur ist ein Schirm

Das Goethe-Institut will Europa stärken

Europa, das ist derzeit kein schönes Wort. Es verbreitet Furcht und Skepsis, es klingt nach Banken und Bürokratie. Die Bürger erleben ein „verordnetes Europa der Regierungen und Eliten“, klagt Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident des Goethe-Instituts. Er sieht den Kontinent anders. Europa müsse ein „Kultur- und Bildungsprojekt“ sein, es gehe um die „Verantwortung für einen gemeinsamen europäischen Kulturraum“, wie Lehmann es am Montag bei der Vorstellung einer Europa-Broschüre im Hauptstadtbüro des Goethe-Instituts formulierte.

Für die auswärtige Kulturpolitik stellt Europa eine neue Herausforderung dar. Hatte man nach der historischen Wende von 1989 die Aktivitäten in Ost- und Südosteuropa erheblich erweitert, rückt nun auch das sogenannte europäische Kernland wieder stärker in den Blick. In Spanien und Griechenland, aber auch in Polen hat die Zahl der Sprachschüler zugenommen. Man lernt – wieder – Deutsch, was vor allem in Südeuropa ökonomische Hintergründe hat. Da bereiten sich wanderwillige Menschen auf einen möglichen Job in Deutschland vor. So etwas kannte man bisher eher aus Indien, wo das Goethe-Institut traditionell stark vertreten ist.

„Das europäische Band ist brüchig geworden, weil man sich ausschließlich auf den Euro, auf das Geld verlassen hat“, sagt Lehmann, und das sei nicht allein ein Fehler der politischen Klasse. Das Goethe-Institut will seine Arbeit für Europa intensivieren, der globale Auftrag bleibe davon unberührt. Und natürlich ist auch im Hause Goethe das Geld ein Thema. Noch vor fünf Jahren flossen 48 Prozent der Mittel des Instituts in die sogenannte westliche Welt. 2011 sind es nur noch 30 Prozent. Man hat nicht nur umgeschichtet, sondern auch neue Wege der Vermittlung und eine beweglichere Präsenz entwickelt, in Italien zum Beispiel.

Was historisch als Selbstverständlichkeit gelten darf, setzt sich in der Praxis nicht leicht um: Lange Zeit war der Begriff Europa kulturell aufgeladen, umfasste gemeinsame Traditionen, weniger das Staatliche. Jetzt aber, da die EU-Länder immer mehr Staatlichkeit nach Brüssel abgeben und immer mehr Finanzschirme aufgespannt werden, wird das kulturelle Verständnis eines gemeinsamen Europas vernachlässigt. Im Vertrag von Lissabon spielt Kultur gar keine Rolle.

Unterdessen arbeiten die Kulturinstitute der europäischen Länder verstärkt zusammen. „Eunic“ nennt sich ihre im Jahr 2006 gegründete Dachorganisation, die ein eigenes Büro in Brüssel bekommt und die diplomatischen Aktivitäten der EU begleitet. Auf anderen Kontinenten ist es schon so, dass der British Council, das Institut Français und das Goethe-Institut gemeinsam planen und auftreten. Was nicht immer ganz einfach, aber nur sinnvoll und notwendig sei, wie Goethe-Generalsekretär Hans-Georg Knopp erklärte. Die einzelnen Institute handeln in nationalem Auftrag und bilden zugleich so etwas wie eine kulturelle europäische Vertretung. Schließlich vertritt man gemeinsame Grundwerte. Rüdiger Schaper

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