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Auf der Strecke: Berlins Baumeister Schinkel und die Eisenbahn

Vor Jahren erregte eine Goethe zugeschriebene Bemerkung über die Eisenbahn große Heiterkeit in den deutschen Feuilletons. Denn Goethe hat die Eisenbahn nicht mehr erlebt – wohl aber Schinkel.

Daher muss verwundern, dass ausgerechnet der höchste Baubeamte Preußens der Eisenbahn, die noch zu seinen Lebzeiten die Hauptstadt Berlin mit der Residenz Potsdam verband, keine Aufmerksamkeit geschenkt haben sollte. Diese erste preußische Bahn wurde 1838 eröffnet; Schinkel glitt zwei Jahre darauf durch einen Schlaganfall aus seinem tätigkeitsreichen Leben, bevor er 1841 verstarb.

Reinhart Strecke, Archivdirektor am Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, ist nun der von der Schinkel-Forschung vernachlässigten Frage nachgegangen, wie es um die Beziehung von Schinkel und der Oberbaudeputation zur Eisenbahn bestellt war. Sein Buch „Pegasus oder Schinkel und Berlins erster Eisenbahnhof“ (Transit Verlag, Berlin 2008, 112 S., 14,80 €) darf als Bereicherung des Wissensstandes über den augenscheinlich unerschöpflichen Schinkel begrüßt werden. Denn Preußens Baubeamte, so belegt es Strecke mit erstaunlichen Quellenfunden, wussten durchaus sehr genau Bescheid, hatten sie doch zum Eisenbahnprojekt und seinen vielfältigen, damals noch gänzlich neuen Aspekten der Verkehrsbewältigung detailliert Stellung zu nehmen. Allerdings hatten sie nicht zu entscheiden, und es ist das herausragende Verdienst von Streckes Studie, die Interna des preußischen Verwaltungsapparates unter der Herausforderung notwendiger Infrastrukturvorhaben von bis dahin ungekannten Ausmaßen bloßzulegen. Schinkel rangiert da unter ferner liefen. Es ist der Staatsminister Rother, der den Staat aus den unabschätzbaren Risiken des Eisenbahnbaus heraushält; es ist Schinkels – in der Literatur seit jeher hoch gepriesener - Freund und Förderer Beuth, der gleichfalls skeptisch bleibt.

Warum sich Schinkel allerdings nicht architektonisch mit der Bauaufgabe Bahnhof beschäftigt hat, vermag auch Strecke nicht zu erklären. Um seine augenscheinlich vorgefasste These von der Modernität Schinkels zu stützen, lässt er die bekannte England-Reise mit Beuth von 1827 Revue passieren, vermag auch Erhellendes zu den ikonografisch höchst vetrackten Aquarellen zu sagen, die Schinkel Beuth zueignete, weicht aber der Leerstelle des Bahnhofsbaus in Schinkels ungeheuer weitem Spektrum architektonischer Entwürfe aus.

Die Erklärung dürfte so einfach wie ernüchternd sein: Schinkel war von seinem königlichen Herrn und Quälgeist derart mit der fürstlich ausgerichteten Fertigstellung des Lehrbuchs eingedeckt, dass er die künftige Bedeutung des Bahnhofsbaus übersah. Was sonst hätte den großen Modernen von entsprechenden Skizzen abhalten sollen? Sein Vermächtnis für die Zukunft war die 1836 fertiggestelle Bauakademie, und er entwarf eine neuartige „Ladengalerie“ (später Kaufhaus genannt) ebenso wie eine feuersichere Bibliothek. Bernhard Schulz

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