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Kultur: Auf die Schlafbank: das Verschwinden der Oper im Geiste der Musik

Das, was man macht, muss verboten sein. Wie ein Verbrechen", lautet das musikalische Credo der rumäniendeutschen Komponistin Adriana Hölszky.

Das, was man macht, muss verboten sein. Wie ein Verbrechen", lautet das musikalische Credo der rumäniendeutschen Komponistin Adriana Hölszky. Dieses Pathos des Formenzertrümmerns, einst konstitutiv für die klassische Moderne, wirkt mittlerweile reichlich abgestanden. Allein in der Welt der Neuen Musik erfreut es sich ungebrochener Beliebtheit. Mit ihrer dritten "Oper" will Hölszky die letzte Bastion bourgeoisen Kunstgenusses schleifen: In "Tragödia - der unsichtbare Raum" gibt es weder Handlung noch Sänger, nur Musik. Das Ensemble der Zeitgenössischen Oper Berlin treibt die Negation in seiner Inszenierung am Hebbel-Theater noch weiter. Bei der Bonner Uraufführung 1997 gab es wenigstens ein Bühnenbild, nun fällt auch das weg. Die Zuhörer strecken sich im Bühnenraum auf Schaumstoffliegen aus, das Licht wird gelöscht, das Publikum horcht in sich hinein und soll in "hypnagogen Halluzinationen" (Hölszky) schwelgen. Das "Theatralische" gehe unmittelbar aus den Tönen hervor, glaubt die Professorin für Komposition in Salzburg. So bleiben schwach glimmende Leuchtfäden die einzigen optischen Anhaltspunkte bei dieser musikalischen Reise ans Ende der Nacht. Und dort lässt Hölszky die Höllenhunde los.

Dass die Partitur für 18 Musiker, Tonband und Live-Elektronik präzise notiert wurde und so exotische Instrumente wie Caxixi, Anklung und Rakatak zum Einsatz kommen, beschreibt nicht annähernd den Variantenreichtum dieser Musik. Mit Dynamikwechseln und überraschenden Tutti nach langgezogenen Klangflächen reizt sie die Möglichkeiten der Quadrophonie aus. Die Geräusche pirschen sich aus allen Richtungen an und belauern im Kreisgang ihr Opfer, das die Ohren spitzt zwischen all dem Zirpen, Zischen und Rasseln, den Trommeln und Fanfaren, die sich kaleidoskopartig zu immer neuen Mustern verwirbeln. Es ist wie im Dschungel, wo die Tiere ihre Feinde erlauschen müssen, um überleben zu können. Indes wird daraus kein Musiktheater. Denn Hölszky sitzt einem Missverständnis auf: Das "Theatralische" liegt nicht in der Luft und wird von Tonfrequenzen transportiert, sondern haftet menschlichen Ausdrucksformen an: Gesten, Gesängen und Sprechakten. Kein Theater ohne Theatermacher. Andernfalls wäre es, als wolle man die Metapher des "Naturschauspiels" wörtlich nehmen. Adriana Hölszky hat keine Oper geschrieben. Aber ein wundervolles Konzert (bis Sonntag jeweils um 20 Uhr, Sonnabend auch 22 Uhr).

(heil)

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