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Kultur: Auf die Spitze

Jan Hoet verabschiedet sich vom Museum Herford

Den Ausstellungstitel hat ihm der Himmel eingegeben. Mehr noch sein querulantisches Temperament, werden vermutlich die zuständigen Stellen in der Aufsichtsbehörde sagen. Mit „Ad absurdum“ beginnt der lange Abschied des Jan Hoet vom Museum MARTa Herford und damit das Ende einer Mischung aus Provinzposse und großer Ära, die mit überregionaler Aufmerksamkeit verfolgt worden ist. Zum Jahresende, dann begleitet von der Ausstellung mit dem ebenso vielsagenden Titel „Loss of Control“, wird er endgültig das Haus verlassen.

Kritiker sahen die Komplikationen schon voraus, als sich das Städtchen am Rande des Teutoburger Walds für 47 Millionen Euro vom amerikanischen Stararchitekten Frank Gehry ein extravagant gekurvtes Museum hinstellen ließ. Man ahnte bei dieser widersprüchlichen Kombination aus Form und Material bereits, dass es bald im Gebälk knirschen würde. Die Berufung des belgischen Ausstellungsmachers Jan Hoet zum Gründungsdirektor des 2004 eröffneten Baus wendete das Schicksal des mutigen Museumswurfs noch einmal. Der von der regionalen Möbelindustrie finanzierte Bau wurde nicht zum Edel-Schaufenster firmeneigener Produkte, sondern zum ambitionierten Ausstellungshaus. Im bis heute gewöhnungsbedürftigen Titel MARTa steht das „M“ für Möbel, „art“ für Kunst und „a“ für Ambiente. In seinem Ausstellungsprogramm schrieb Jan Hoet die Kunst stets mit den größten Lettern. Das hat bislang gepasst, denn mit 250 000 Besuchern seit Eröffnung, 2007 waren es 63 000, ist der Publikumszuspruch ausreichend genug.

Der umtriebige Documenta-Macher von 1992 und Gründungsdirektor des Stedelijk Museum voor Actuele Kunst in Gent, der mit seiner Pensionierung nach Herford wechselte, steht für das freie Assoziieren in der Kunst. „Displacement“ nennt er sein stets intuitiv motiviertes Konzept, bei dem die Energien frei strömen sollen. Der Geschäftsführung des MARTa Herford, mit der Hoet in all den Jahren immer wieder aneinandergeriet, fehlte dazu wohl das nötige Einfühlungsvermögen. Als Hoet während des Berufungsverfahrens für seinen Nachfolger überraschend verlängern wollte, wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Fortan soll es Roland Nachtigäller richten, der Hoet bei der Documenta assistierte und heute die Städtische Galerie Nordhorn leitet.

Bei der aktuellen „Ad Absurdum“-Ausstellung arbeiten die beiden Häuser bereits eng zusammen. In Nordhorn sind abstruse Künstlerapparaturen zu sehen. Der künftige MARTa-Direktor stimmt sich offensichtlich auf die Merkwürdigkeiten des Herforder Museumsbetriebs ein. Seine besondere Aufmerksamkeit dürfte einem Ausstellungsstück im Gehry-Bau gelten, das von keinem Künstler stammt, sondern nur ein zum Plakat vergrößertes Schreiben der Herforder Museumsgesellschaft darstellt. Es handelt sich um eine Abmahnung an Jan Hoet, der persönlich für nicht gedeckte Kunstankäufe zum Regress aufgefordert wird. Den Dissens haben die streitenden Parteien zwar mittlerweile beigelegt, aber er animierte doch zum „absurden“ Ausstellungsprojekt.

Noch hat der Kunstaficionado den Herfordern, die lieber Klassisches sehen würden, so manches Kuckucksei gelegt. Etwa jenes Ausstellungsstück Wim Delvoyes mit dem Titel „Personal Cloaca“, das wie eine Waschmaschine aussieht und jeden Tag um 11.30 Uhr vom zuständigen Aufseher mit Brot, Gemüse und Wasser gefüttert wird. Jeweils um 17.30 Uhr wird dann das Ergebnis vorgeführt: lauter winzig kleine Würstchen, die einen entsprechenden Gestank verbreiten. Der belgische Künstler hat damit die Absurdität auf die Spitze getrieben. Verstehen muss man ihn deshalb noch nicht.

Beuys, Broodthaers, Kippenberger, Polke, Jason Rhoades – sie alle sind mit Beispielen vertreten, über hundert Künstler insgesamt. Für Jan Hoet stellt das Absurde eine Möglichkeit dar, anders zu denken, die Normalität zu hinterfragen, was letztlich die Grundidee jeglicher Kunst darstellt. Ähnlich wie bei seiner Erstausstellung „(My private) Heroes“ vermittelt auch diese Schau nicht wirklich neue Erkenntnisse, sie zeigt vielmehr eine Auswahl seiner Lieblingskünstler. Dass die Reise nach Herford sich dennoch lohnt, liegt an den exzellenten Leihgaben, die sich der Belgier aufgrund seiner Beziehungen sichern konnte. Auch daran, nicht nur an den Kapriolen wird man künftig seinen Nachfolger messen. Nicola Kuhn

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