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AUF Schlag: G 16 auf Gleis 3

Moritz Rinke über die Globalisierung in Schönefeld

Letzte Woche kamen zwanzig finnische Literaten nach Berlin. Ein deutsch-finnischer Kulturgipfel, den ich auch mitorganisiert habe. Am Tag der Anreise der finnischen Delegation klingelte mein Handy: „We are now in Schönefeld, train-station. Spandau or Hermannstraße?” Ich sagte: „No Spandau, no Hermannstraße. Take main-station!” Der Finne sagte: „No main-station! Now there is only Hermannstraße. We take Hermannstraße!”

Ich habe mir den kommenden globalen Großflughafen Berlin jetzt mal angeguckt. Wenn man in den S-Bahnhof des Flughafens läuft, dann sieht man erst mal zirka achtzig Berlingäste vor zwei automatischen Fahrkartenschaltern Schlange stehen. Daneben „Snack&Back“ mit Hackepeter-Brötchen, gegenüber ein Fotofix-Automat und ein Informationskasten mit „Ersatzpendelverkehr“. An den Aufgängen zu den sechs Gleisen stehen zwei Hinweise, Gleis 3: „RE7 Wünsdorf-Waldstadt“ (heute wohl statt Spandau), Gleis 4: „S 45 Hermannstaße“. Sonst nichts.

Oben auf Gleis 4 steht eine italienische Reisegruppe. „Herrrrrrrmannstraße??“, fragt der eine Italiener. Bei den Finnen klang es ganz anders, die Finnen sprechen bei Doppelbuchstaben den betreffenden Laut zweieinhalb mal länger als wir, „Hermannnnnnnnstraße??“

Ich schließe mich drei Italienern an, die wieder runter laufen zum Informationskasten mit „Ersatzpendelverkehr“ neben Fotofix. Ein Italiener fragt bei „Snack&Back“: „Hello. Is Herrrrrrrmannstraße Berlin-City??“, doch die Frau von „Snack&Back“ versteht kein Englisch.

Plötzlich steht am Gleisaufgang 3: „Exit/Sortie Senftenberg“. Die Italiener sind euphorisch und wechseln oben komplett mit der gesamten Reisegruppe auf Gleis 4 Richtung Senftenberg. Mittlerweile stehen ungarische Besucher auf Gleis 4 und rufen in ihr Handy: „Hermaaaaanstraße?!“, die Ungarn gehen eher auf das A, aber ob nun „Hermaaaaanstraße“, „Herrrrrrrmannstraße“ oder finnisch „Hermannnnnnnnstraße“, diese Hermannstraße ist wahrscheinlich berühmter auf der ganzen Welt als Heiligendamm oder Manhattan.

Eigentlich auch wieder schön. Die Welt globalisiert sich in rasendem Tempo, in Heiligendamm tagte nun die G8, wie man denn jetzt das große Rad ein bisschen zurückdrehen könnte, aber in Schönefeld trifft die Welt auf die Hermannstraße und hat keine Ahnung, wie sie in die City kommt. Dafür, und das wird aber die internationale G-8-Umweltinitiative freuen, gibt es auf Gleis 3 in Schönefeld – ich schwöre – folgendes Müllsystem: Roter Deckel: Restmüll (residual waste), gelber Deckel: Verpackung (package), grüner Deckel: Glas (glassware), blauer Deckel: Papier (paper). Das alles viermal, insgesamt also auf einem einzigen Gleis sage und schreibe 16 große internationale Mülltonnen! G16! Hauptsache der Müll weiß, wo er hin muss. Dagegen sollte man auf keinen Fall demonstrieren.

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