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Kultur: Auf was baut Berlin, Herr Stimmann?

Hans Stimmann (SPD) ist eine eherne Größe der Berliner Baupolitik. Bald nach der Wiedervereinigung wurde er 1991 zum Senatsbaudirektor berufen - und damit nach Eigenaussage zum "mächtigen Mann".

Hans Stimmann (SPD) ist eine eherne Größe der Berliner Baupolitik. Bald nach der Wiedervereinigung wurde er 1991 zum Senatsbaudirektor berufen - und damit nach Eigenaussage zum "mächtigen Mann". Nach stürmischen Boom-Jahren wechselte er 1996 bei der Bildung des neuen Senats in die Stadtentwicklungsbehörde, ehe er 1999 in sein vorangehendes Amt zurückkehrte, nunmehr im Rang eines Staatssekretärs. Geboren 1941 in Lübeck, studierte er nach einer Maurerlehre Architektur, ging 1969 nach Berlin, wo er an der TU promovierte und später als Referent des legendären SPD-Bausenators Harry Ristock arbeitete. 1986 zum Leiter der Lübecker Baubehörde berufen, hat er nach seinem Wechsel zurück an die Spree ab 1991 den Neubau Berlins maßgeblich beeinflusst.

Berlin ist pleite, für große Neubauvorhaben ist kein Geld mehr vorhanden. Selbst Korrekturen am Stadtbild werden schwierig. Der neue Kultursentaor Thomas Flierl, als ehemaliger Stadtbaurat mit dem Thema vertraut, hat sich bereits deutlich für die Erhaltung der "DDR-Moderne" ausgesprochen.

"DDR-Moderne" ist ein Kampfbegriff derer, die alles erhalten wollen, was war. Städtebaulich, architektonisch bedeutet das Stillstand und nicht Entwicklung. Ich habe übrigens niemals gesagt, dass alle Plattenbauten abgerissen werden sollen. Aber man muss auch sie verändern und ergänzen, um Stadt zu entwickeln.

Aber genau darum geht es ihren Verfechtern: um die Erhaltung der DDR-Bauten in ihrem gegenwärtigen Zustand.

Zunächst einmal: So etwas wie "die" DDR-Moderne gibt es gar nicht. Bei der Architektur der DDR gab es unterschiedliche kulturelle Haltungen zu der jeweiligen SED-Programmatik. Zu unterscheiden sind die frühen fünfziger Jahre, dann klare Scheibenstrukturen im zweiten Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee, Mitte der sechziger Jahre die Punkthausbebauung auf der Fischerinsel oder an der Holzmarktstraße und später die postmoderne Wende des Nikolaiviertels mit seiner Orientierung am historischen Stadtgrundriss. Was heißt da DDR-Moderne?

Sie sind der Autor des "Planwerks Innenstadt", das detaillierte Vorschläge zum Weiterbau gerade auch an den Vorzeigestraßen des "sozialistischen Städtebaus" enthält. Müssen Sie nach einem Jahrzehnt von der gesamtstädtischen Planung Abschied nehmen?

Das Planwerk ist ein Angebot zum Weiterbauen. Es versucht, die ältere und jüngere Geschichte in einen Dialog zu bringen und die Stadt als Ganzes zu betrachten. Der Senat hat nicht die Absicht, von gesamtstädtischen Planungen Abstand zu nehmen. Es geht jetzt darum, sie mit vielen privaten Bauten zu konkretisieren. Und die Orte sind von allerhöchster Bedeutung: die Klosterstraße mit dem Grauen Kloster, das Kulturforum, der Friedrichswerder. Jedes dieser Projekte hat die Dimension etwa der Dresdner Neumarkt-Bebauung! Es gibt also genug Stoff für privat finanzierte Projekte.

Heißt das, dass der rot-rote Senat keinerlei Bau- und Stadtentwicklungspolitik mehr betreiben will?

Nein, der Paradigmenwechsel betrifft vor allem das öffentliche Bauen. Die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung, die hohe Versorgung Berlins mit Infrastruktur und Wohnungen führt auch ohne Finanzkrise zu dem Ergebnis, dass es so gut wie keinen Neubaubedarf mehr gibt. Wir haben 80 leer stehende Schulen, über 110 000 leer stehende Wohnungen, überzählige Krankenhäuser, leer stehende Kindergärten in den Großsiedlungen. Zugespitzt: Die Demokratie als Bauherr hat ihre Aufgabe erledigt. Das ist in einer Stadt, die es gewohnt war, jedes Jahr 20 000 Wohnungen, dazu Schulen und Krankhäuser zu bauen, ganz schwer zu vermitteln. Die Idee, die man 150 Jahre lang hatte - eine Stadt, die ständig weiterwächst -, ist überholt. Es geht um die Sicherung und Qualifizierung des Bestandes. Wenn es nach mir ginge, müsste man die Bauunterhaltungsmittel verdreifachen, um die wunderbaren Berliner Schulen, Wissenschafts- und Kulturbauten zu modernisieren.

Trotz des Leerstands wurden im vergangenen Jahrzehnt etwa 80 neue Schulen gebaut.

Berlin musste im Osten Schulen mit Schultypen wie Gymnasien und Berufsschulen nachbauen, die es dort nicht gab. Dazu kam der Bedarf in den Neubauquartieren. Über den Bedarf hinaus geplant wurde bei den Krankenhäusern. Da sind viele Wettbewerbsergebnisse nicht realisiert worden.

Ist Ihre Stelle, die des Senatsbaudirektors, damit überflüssig geworden?

Nein, denn der Senatsbaudirektor ist nicht nur für das öffentliche Bauen, sondern auch für das Planen und Betreuen privater Bauprojekte zuständig. Neben der komplizierten Bauunterhaltung geht es vor allem darum, für private Investoren den roten Teppich auszurollen, das heißt planerische Voraussetzungen über Grundstücksvergabe und Genehmigungen zu schaffen. Dabei ist es Aufgabe des Senatsbaudirektors, Qualität zu sichern. Das bedeutet auch, über die Architektur der neuen Bürogebäude und Wohnungen zu reden.

Inwieweit können Sie diese Themen beeinflussen? Die Baugenehmigungen werden doch von den Bezirken vergeben.

Richtig. Der Senat ist zuständig für den Flächennutzungsplan und sorgt für die Rahmenbedingungen. Für die Baugenehmigungen sind die Bezirke zuständig. Nur in Ausnahmefällen interveniert der Senat.

Das war in der Vergangenheit öfter der Fall.

Ja, aber mit der Verwaltungsreform wurde die Zuständigkeit der Bezirke verstärkt. Die Dezentralisierung fördert naturgemäß das Kiezdenken. Dagegen ist nichts zu sagen, solange es sich nicht um Projekte von gesamtstädtischer Bedeutung handelt. Das gilt vor allem für die Innenstadt. Aber natürlich auch für Adlershof, für Buch, bei der Messe. Keiner der Innenstadtbaudezernenten ist je mit einer eigenen Idee für die Gesamtstadt hervorgetreten. Ihr Profil haben sie in der Auseinandersetzung mit den Überlegungen des Senats gewonnen.

Wird in den Bezirken keine erkennbare Baupolitik gemacht?

Architekturfragen stehen dort kaum im Mittelpunkt. Die Verkiezung des Denkens, die Selbstbeschränkung, die Abschichtung vom Landesparlament in die Bezirksverordnetenversammlung ist in der Tat ein Problem Berlins, wenn gesamtstädtische Fragen thematisiert werden. Das Denken in höchsten Ansprüchen darf nicht an den Bezirksgrenzen von Mitte, Schöneberg, Kreuzberg enden.

Aber Ihr Senat hat die Bezirksreform doch selbst vorangetrieben!

Die Abschichtung in die Bezirke war ja auch richtig. Das bedeutet mehr Bürgernähe, mehr Demokratie, mehr Effizienz. Aber es gibt Bereiche, in denen das nicht sinnvoll ist, und die muss man jetzt mühsam zurückholen. Ein Supermarkt in der Turmstraße ist natürlich kein Senatsproblem. Aber es gibt Themen wie etwa die Messeerweiterung oder Adlershof, die zu den Aufgaben des Senats gehören.

Ist Berlin, was die Eigenständigkeit der Bezirken angeht, nicht in einer besonderen, historisch gewachsenen Lage?

Es gibt bei Politikern Stereotype wie "Berlin ist viele Orte" oder "Berlin hat zwei Zentren, eine City West und eine City Ost". Dass Berlin viele Orte hat, ist die Beschreibung einer Banalität, die auf jede Stadt zutrifft. Aber wo ist die Gesamtstadt? Wer vertritt in Charlottenburg den Metropolenanspruch? Ist die Gestaltung des Kulturforums eine Aufgabe, die im Bezirk Mitte zu lösen ist? Die Antwort ist relativ simpel. Kulturforum, Breitscheidplatz, Technische Universität, der Schlossbereich - all das sind typisch gesamtstädtische Aufgaben. Und es ist deswegen auch Aufgabe des Stadtentwicklungssenators, das Gemeinsame dieser Stadt zu definieren.

Über einen der wichtigsten Plätze der Innenstadt haben wir noch nicht gesprochen. Wie wird es nach dem Vorschlag der Kommission auf dem Schlossplatz weitergehen?

Über die Rekonstruktion des Stadtgrundrisses gibt es überhaupt keinen Dissens. Und aus dem Stadtgrundriss ergibt sich logischerweise das Schloss als Volumetrie. Dissens gibt es nur in der Frage, ob man auf dem alten Grundriss ein neues Gebäude entwirft oder das alte Schloss rekonstruiert.

Sehen Sie angesichts der verhärteten Fronten überhaupt noch eine Möglichkeit, dass sich Berlin jemals über die Bebauung des Schlossplatzes einigt?

Es darf nicht passieren, dass sich über der Schlossdebatte die Stadt spaltet. Die Entscheidung für das Schloss und den Schlossbereich muss die Stadt politisch, gesellschaftlich und inhaltlich weiterbringen. Die Empfehlung der Kommission "Historische Mitte" lädt dazu ein. Es ist doch eine wahnsinnig zukunftsträchtige Idee, die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen in eine Beziehung zu den europäischen Künsten zu bringen. Aber das interessiert offensichtlich niemanden!

Trotzdem: Wie geht es weiter? Bei wem liegt die Entscheidung?

Wie der Senat sich verhalten wird, ist ja angesichts der Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters, des Kultursenators und des Stadtentwicklungssenators und angesichts der nicht vorhandenen Haushaltsmittel absehbar. Der Senat wird wahrscheinlich das Nutzungsprogramm begrüßen, aber zur Fassade eine andere Auffassung vortragen.

Vor allem gibt es kein Geld, um auf dem Platz überhaupt etwas zu bauen. Heißt das, der Senat wird sich von der Verantwortung für den wichtigsten Platz der Stadt zurückziehen und alles dem Bund antragen?

Es geht ja nicht nur um das Schloss, sondern auch um die Umgebung des ehemaligen Schlosses mit Bauakademie, Schlossfreiheit, Stechbahn, Breite Straße. Dort wird sich der Senat sicherlich stark engagieren. Und wenn sich der Bund für das Projekt engagiert, wird sich der Senat nicht dagegenstellen. Aber das wäre dann so etwas wie ein Grand projet für die neue Bundesregierung. Ich bin übrigens zuversichtlich, dass sich der Bund mit diesem Platz beschäftigen wird. Die Leere ist einfach zu groß, als dass man sie ignorieren könnte. Im übrigen bedeutet das nicht, dass an diesem historischen Staatsort nichts passiert. Ich hoffe, dass ich die Bebauung der Schlossfreiheit noch während meiner Amtszeit erlebe.

Berlin ist pleite[für große Neubauvorh]

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