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AUFGESCHLAGEN Zugeschlagen: „Danke, danke, danke!“

Von Denis Scheck

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“. (Heute abend, 23.30 Uhr, mit Stephen Clarke, Siri Hustvedt, Feridun Zaimoglu.)



10) Jürgen Todenhöfer: Warum tötest du, Zaid? (C. Bertelsmann Verlag, München 2008. 336 Seiten, 19,95 €)

„Hauptursache des Terrorismus unserer Tage ist nach meiner tiefen Überzeugung die menschenverachtende Art, in der große Teile der westlichen Welt seit zweihundert Jahren mit der muslimischen Welt umgehen“, schreibt Jürgen Todenhöfer. Darüber kann und muss man streiten. Dieses engagierte, nur leider etwas wirr konzipierte Buch gibt einen guten Anstoß dazu.

9) Tim Weiner: CIA, die ganze Geschichte (Deutsch von Elke Enderwitz, Ulrich Enderwitz, Monika Noll, Rolf Schubert, S. Fischer, 864 Seiten, 22,90 €)

Viele sehen in Geheimdiensten ein notwendiges Übel. Wer die Geschichte des amerikanischen Auslandsgeheimdiensts von Tim Weiner gelesen hat, wird sich überlegen, ob er das Adjektiv in Zukunft nicht lieber weglässt.

8) Eva Maria Zurhorst: Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest (Goldmann Arkana, 382 Seiten, 18,90 €)

Als Beziehungsratgeber hat mich Zurhorsts Buch nicht überzeugt. Die Autorin schwankt zwischen weichspülerhaftem Psychogebabbel und aggressivem Predigtton, versöhnt allerdings fast durch die unfreiwillige Komik ihres Metaphernsalats: „Die große Sackgasse ‚Sexualität’ ist meiner Erfahrung nach die Kernspaltung aller Partnerschaften“.

7) Ester und Jerry Hicks: The Law of Attraction (Deutsch von Michael Nagula, Allegria Verlag, 270 Seiten, 16,90 €)

Man kann nicht für Literatur schwärmen, ohne sich im hintersten Winkel seines Leserherzens eine kleine Schwäche für die Scharlatane, Quacksalber und Barfußärzte des Buchmarkts zu bewahren. Empörend an diesem Machwerk mit den angeblich gechannelten Verhaltenstipps einer außerirdischen Kollektivintelligenz namens Abraham ist daher weniger seine Dreistigkeit, empörend ist seine grobschlächtige Blödheit.

6) Eduard Augustin, Philipp von Keisenberg, Christian Zascke: Ein Mann, ein Buch (SZ Edition, 415 Seiten, 19,90 €)

Wie verwandelt man einen Waschbärbauch in einen Waschbrettbauch? Wo macht man am besten eine Kneipe auf, nachdem man für 51 Euro die Wirteprüfung abgelegt hat? Und was ist erforderlich, um römisch-katholischer Priester zu werden? Dieses anregende Kompendium des vermeintlich nur für Männer Wissenswerten will eher durchgeblättert als gelesen werden, macht aber Spaß.

5) Richard David Precht: Wer bin ich und wenn ja wie viele? (Goldmann Verlag, 398 Seiten, 14,95 €)

Ein schlaues Buch über die komplizierteste Sache der Welt: unser Gehirn. Precht verbindet eine anregende Philosophiegeschichte mit einer so kompetenten wie kurzweiligen Einführung in die Neurowissenschaften. Man wird nach Lektüre dieses Buchs Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus, John Rawls’ Gerechtigkeitstheorie und Peter Singers praktische Ehtik nicht unbedingt verstehen – aber man wird wenigstens schon mal von ihnen gehört haben.

4) Steffen Möller: Viva Polonia (Scherz Verlag, 367 Seiten, 14,90 €)

Ein deutscher Kabarettist, der seit bald 15 Jahren in Polen lebt, versucht den polnischen Nationalcharakter zu ergründen. So schön es ist, etwas über unseren unbekannten östlichen Nachbarn jenseits der Klischees von katholischen Frömmlern, autoklauenden Schwarzarbeitern oder wodkaseligen Romantikern zu erfahren – ein bisschen ambitionierter als diese allzu locker aneinandergepuzzelten Schnurren hätte so ein Psychogramm schon ausfallen müssen.

3) Rhonda Byrne: The Secret – Das Geheimnis (Deutsch von Karl Friedrich Hörner, Goldmann Arkana, 240 Seiten, 16,95 €)

Wer glaubt, nach Filbinger, Barschel und Möllemann den Gipfel an Verlogenheit schon zu kennen, wird durch dieses esoterische Einmaleins eines besseren belehrt. „Jeden Morgen“, heißt es darin, „stehe ich nicht auf, bevor ich das Gefühl von Dankbarkeit empfunden habe für diesen neuen Tag, und für alles in meinem Leben, für das ich dankbar bin. Dann, wenn ich das Bett verlasse und mein Fuß den Boden berührt, sage ich ‚Danke’, und sobald der andere Fuß den Boden berührt, sage ich noch einmal ‚Danke.’ Bei jedem Schritt auf meinen Weg zum Badezimmer sage ich ‚Danke.’ Ich sage und fühle weiter: ‚Danke’, während ich dusche und mich fertigmache.“ Das ist kein Buch, das ist eine Verhaltensstörung.

2) Sophie van der Stap: Heute bin ich blond (Deutsch von Barbara Heller, Droemer Verlag, 239 Seiten, 16,95 €)

Eine 21-Jährige erhält die Diagnose Krebs. In ihrem Bericht vom Leben mit und nach der Chemotherapie erzählt van der Stap von den neun Perücken, die sie kauft, nachdem ihr die Haare ausfallen, von ihrem Versuch, für jede dieser Perücken eine Persönlichkeit zu entwerfen, von den damit verbundenen Rollenspielen und der Annäherung an die Frage, wer sie selbst eigentlich ist. Eine schlimme, eine schön wahre Geschichte, zwar keine große Literatur, aber ein Mut machendes Dokument.

1) Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg (Malik Verlag, 346 Seiten, 19,90 €)

Wie Knut, Flocke oder der Bär Bruno sind Kerkelings Pilgeranekdoten offenbar ein Phänomen medialer Massenhysterie. Drei Millionen verkaufte Exemplare, drei Jahre auf der Bestsellerliste, und das mit einem Buch, so aufregend wie ein Tag im Streichelzoo. Aber vielleicht ist genau dies das Geheimnis: Dieses Buch ist in seiner Gemütlichkeit so berechenbar und überraschungslos wie der Bär Balu. Nur leider nicht so amüsant.

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