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AUFGESCHLAGEN Zugeschlagen: Waschen Sie sich ab und zu!

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (heute, Sonntag, 23.35 Uhr, mit Massimo Carlotto und Ror Wolf).

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (heute, Sonntag, 23.35 Uhr, mit Massimo Carlotto und Ror Wolf).

10) Dieter Nuhr: Der ultimative Ratgeber für alles (Lübbe-Verlag, 304 S., 12,99 €)

Dieter Nuhr weiß tatsächlich in allen Lebensfragen guten Rat. Ob zum Stichwort Ökonomie, wozu Nuhr einfällt: „In der Steinzeit gab es keine Schleckermärkte“ oder zum Thema Liebe, für die Nuhr beherzigenswert empfiehlt: „Waschen Sie sich ab und zu!“ Selbst in Sachen Theologie und Priestersex ist dieser Mann um keine Antwort verlegen, etwa wenn er schreibt: „Auch ein Schaf sollte Gelegenheit haben, sich seine Geschlechtspartner selbst auszusuchen.“ Ein gutes Buch.

9) Adam Zamoyski: 1812 (Deutsch von Ruth Keen, C.H. Beck, 720 S., 29,95 €)

Sollte Ihnen bislang aus welchen Gründen auch immer der Spaß an der Geschichte verdorben worden sein, hier können Sie ihn lernen. Adam Zamoyski schildert anschaulich, analysestark und mit psychologischer Delikatesse den Zusammenprall von Napoleon und Alexander, das Ringen des Erben der französischen Revolution mit dem Erben der europäischen Feudalreiche. Seit langer Zeit hat sich keine so glänzende historische Darstellung mehr auf eine deutsche Bestsellerliste verirrt.

8) Jürgen Domian: Interview mit dem Tod (Gütersloher Verlagshaus, 176 S., 16,99 €)

Ein originelles Buch über die letzten Fragen. Wie Jürgen Domian in leicht fasslicher Sprache von einem fiktiven Interview mit dem Tod berichtet und davon, wie ihm Ludwig Feuerbach und Friedrich Nietzsche seinen christlichen Glauben nahmen, ist ein lang ersehntes Gegengift zu Esoterikzuhältern wie Paulo Coelho.

7) Carsten Maschmeyer: Selfmade (Ariston-Verlag, 384 S., 19,99 €)

Risiken und Nebenwirkungen einer literaturkritischen Tätigkeit werden gemeinhin unterschätzt. Gerade beim Lesen der Bestsellerliste gerät man nicht selten an Texte, deren Aneinanderreihung grässlichster Dummheiten gewöhnliches Brillenglas zerspringen lässt. Man erfährt aus diesem Buch viel übers Verkaufen. Ein Mann namens Maschmeyer aus Hannover, offenbar als Verkäufer reich geworden, schreibt über Geld, Erfolg und Begegnung mit anderen Verkäufern aus Hannover wie etwa Gerhard Schröder oder Klaus Meine, der in einer Kapelle namens Scorpions musiziert. Dass der Autor dafür „Selfmade“ als Titel wählt, ist ein Trugschluss. Fremdbestimmter als dieses Leben kann ich mir keines vorstellen.

6) Norbert Roberts: Joachim Gauck (Koehler & Amelang Verlag, 264 S., 19,99 €)

Eine journalistische Routinearbeit, solide, aber nicht aufregend: Faktenfutter für Datenknechte. Dass mir dieses Buch dennoch gute Laune macht, liegt weniger am Lebensweg des ostdeutschen Pastors Joachim Gauck als vielmehr daran, wie seine Biografie unterstreicht, dass so ein Leben aus mehr als einem Akt besteht – unter glückhaften Umständen, wie im Fall des amtierenden Bundespräsidenten, sogar aus vier oder fünf Akten.



5) Joachim Gauck:
Freiheit (Kösel, 64 Seiten, 10 €)

Dieses Buch enthält den Text einer ausgezeichneten Rede Gaucks zum Thema Freiheit und Verantwortung. Die zehn Euro, die man im Buchhandel dafür verlangt, wird man in Erinnerung an unseren letzten Bundespräsidenten als Notopfer Berlin gern bezahlen.

4) Hans-Ulrich Grimm: Vom Verzehr wird abgeraten (Droemer, 320 S., 18 €)

Grimm deckt auf, wie sich die Lebensmittelkonzerne mit unnützen oder potenziell sogar krank machenden Nahrungsergänzungsmitteln und Functional Food an unserem Traum vom langen Leben in ewiger Schönheit bereichern. Ein Buch, das eine Menge Geld sparen hilft, indem seine Leser in Zukunft manches lieber im Supermarktregal stehen lassen werden.



3) Christoph Fasel und Samuel Koch:
Zwei Leben (Adeo-Verlag, 205 S., 17,99 €)

Dem Menschen Samuel Koch gehört mein Mitgefühl. Sicher ist es übertrieben, von dem Opfer eines Unfalls profunde philosophische Einsichten in das zu verlangen, was mit ihm geschehen ist. Nur haben Koch und sein Coautor Fasel das Pech, dass ein ähnliches Buch genau das leistet und auf Platz eins dieser Bestsellerliste steht. Und spätestens, wenn sich Samuel Koch – vielleicht angeleitet von seinem Coautor, der früher bei der „Bild“ arbeitete – bei den Journalisten von „Bild“, „Bild am Sonntag“ und RTL bedankt, packt mich bei diesem Buch das kalte Grausen über den Massenvoyeurismus namens Unterhaltungsmedien.

2) Rolf Dobelli: Die Kunst das klaren Denkens (Hanser, 256 S., 14,90 €)

Kurzweilige Zeitungskolumnen über massenhaft beschrittene Irrwege des Denkens: Warum wir lieber handeln, statt uns passiv zu verhalten, warum man sich nicht von jedem zum Essen einladen lassen sollte und Kekse um so besser schmecken, je weniger davon da sind. Lesenswert.

1) Philippe Pozzo di Borgo: Ziemlich beste Freunde (Deutsch von Dorit Gesa Engelhardt, Marlies Russ und Bettina Bach, Hanser Berlin, 256 S., 14,90 €)

Noch ein Buch von einem Tetraplegiker, doch was für ein Unterschied: Dies hier ist geistreich und ironisch, öfters verschlägt einem sein wundervoller Esprit den Atem, etwa wenn der nach einem Unfall beim Gleitschirmfliegen Körpergelähmte Pozzo di Borgo Jaccques Prévert zitiert: „Vater unser, der du bist im Himmel / Bleib dort / Und wir werden auf der Erde bleiben / die mitunter so herrlich ist.“ Ein grandioses Buch über die Liebe, den zweiten Atem und über die Gnade.

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