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Kultur: Aufgespürt

Sotheby’s überrascht mit neuer türkischer Kunst

Nicht viele werden von dem türkischen Maler Mübin Orhon gehört haben. 1924 in Istanbul geboren, zog er 1948 nach Paris, um seinen Doktor der Volkswirtschaft zu machen und war wenige Jahre später ein erfolgreicher Maler. Vergangenen Sommer wurde ein großes Querformat Orhons in kühlen Blautönen in einer kleinen New Yorker Christie’s-Auktion für 15 000 Dollar angeboten – und für 374 500 Dollar verkauft. Es war kein irrationaler Ausreißer: Diese Woche brachte ein kleineres Gemälde von Orhon in stimulierenden Rot-Braun-Orange-Tönen in Londons erster Auktion neuer türkischer Kunst die doppelte Schätzung von 193 250 Pfund (216 400 Euro).

Sotheby’s erste Versteigerung dieser Art verblüffte nicht nur, weil sie ungeachtet der Krise erstaunlich gut lief. Mit 1,3 Millionen Pfund wurde bequem die Schätzung eingespielt, die Absatzquote lag bei 71 Prozent der Lose. Überraschend war für Nichteingeweihte die Energie, Vielfalt und Zugänglichkeit dieser Kunst. Die Palette reichte von der konzeptuellen Fotografie nach Altmeistergemälden bis zu einem wilden „Graffiti Guy Posing in Front of his work“ von dem 1957 geborenen Bedri Baykam (49 200 Pfund).

Neue Kunstmärkte zu pflegen ist Teil der Globalisierungsstrategie der Auktionsgiganten: In London wurde in den letzten Jahren Kunst aus Südafrika, Indien, dem Nahen Osten, Russland und natürlich China für das internationale Auktionspublikum aufbereitet. Die Türkei steht in dieser Entwicklung noch ganz am Anfang. Der Londoner Kunstmarktanalyst „Art Tactic“ schätzt das Volumen des türkischen Marktes auf sechs Millionen Dollar – ein kleiner Nischenmarkt. Aber 2010 wird Istanbul europäische Kulturhauptstadt, und die türkische Wirtschaft meistert die globale Finanzkrise verhältnismäßig gut. Aus der Forbes-Liste weiß man, dass es 35 türkische Milliardäre gibt. Nicht ohne Grund hat Sotheby’s vor drei Wochen als erstes westliches Auktionshaus eine Repräsentanz in Istanbul eröffnet. Die Modemärkte China, Indiens und Russlands leiden an der ersten Preiskrise. Bei der türkischen Kunst können Sammler noch ganz unten einsteigen. Bei Sotheby’s waren die Käufer jung und kamen aus aller Welt. Am besten beboten waren die abgesicherteren Künstler der älteren Generation: Neben Orhon die 1991 mit 90 Jahren verstorbene Fahrelnissa Zeid, deren Abstraktion „Le Minautore“ 852509 Pfund kostete. Zeitgenossen wurden meist im Schätzbereich zugeschlagen, doch das Ölgemälde „Spiritual“ von Taner Ceylan, eine hyperrealistische Malerei eines Boxers mit blutigem Gesicht von 2008 verdoppelte die Schätzung auf 70 850 Pfund. Matthias Thibaut

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