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Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Stiftungspräsident Hermann Parzinger, 2014.

© Stephanie Pilick/dpa

Auflösung der Preußenstiftung: Dieses Gutachten wird ein heftiges Sommergewitter auslösen

Ein Gutachten des Wissenschaftsrats fordert die Auflösung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Warum steht sie in der Kritik? Wer entscheidet? Eine Analyse.

Man kann sich Hermann Parzinger als Sisyphos vorstellen. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), einer der größten Museums- und Bibliotheksorganisationen weltweit, eilt von Baustelle zu Baustelle. Kaum ist ein Loch gestopft, reißt ein neues auf.

Kaum ist ein heikles Thema angesprochen, zum Beispiel Raubkunst und das koloniale Erbe, entwickelt sich eine andere Debatte: Was wird aus Dahlem nach dem Abzug der Objekte ins Humboldt Forum. Der riesige Dachverbund der Stiftung droht unter Altlasten und neuen Projekten zusammenzubrechen.

Vor zwei Jahren gab Kulturstaatsministerin Monika Grütters deshalb beim Wissenschaftsrat ein Gutachten in Auftrag, das die SPK evaluieren soll. Am kommenden Montag wird es vorgestellt. Entscheidende Ergebnisse der Untersuchung wurden bereits bei „ZEIT-Online“ geleakt. Danach empfehlen die Gutachter, die sich Zeit genommen haben, die Auflösung der Stiftung. Sie sei „strukturell überfordert“, ihre Arbeit „dysfunktional“.

Das ist eine harte Sprache, und es passt zu dem, was Monika Grütters vor zwei Wochen in einen Interview mit dem Tagesspiegel gesagt hat. Sie erhoffe sich von dem wissenschaftlichen Gutachten „einen Durchbruch bei der Frage, welche Kulturstiftung Deutschland in seiner Hauptstadt braucht. Es fängt beim Namen an, geht über die Finanzausstattung bis hin zur Rechtsform. Die SPK hatte seit den Fünfzigerjahren ihre Berechtigung, aber ist sie so noch zeitgemäß in einer globalisierten Welt?“

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Und sie fügte hinzu: „Wir führen ja gerade eine große Diskussion über Denkmale und Traditionen. Auch in Bezug auf die Stiftung hoffe ich auf eine breite Debatte, im Parlament und in der Öffentlichkeit. Mit ehrlichen Fragen und ehrlichen Antworten, auch wenn es unbequem wird.“

Momentane Organisation sei ein Hemmnis, so das Gutachten

Unbequem ist es für die Stiftung schon jetzt. Der Neubau des Museums für das 20. Jahrhundert, ein Lieblingsprojekt von Grütters, steht wegen der bereits vor Baubeginn explodierenden Kosten von derzeit 450 Millionen Euro schwer in der Kritik. Zudem wartet am Kulturforum die Staatsbibliothek auf ihre Grundsanierung. Am Pergamonmuseum nehmen die Arbeiten kein Ende, während am Hamburger Bahnhof der Komplex der Rieckhallen abgerissen und die Flick-Sammlung abgezogen wird und der Bund über einen Kauf des alten Bahnhofsgebäudes verhandelt. Am Humboldt Forum verzögert sich die Innenausbau wegen der Corona-Krise.

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Es gibt auch Positives zu vermelden. Im vergangenen Jahr wurde die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel eingeweiht, und bei der die Generalsanierung der Neuen Nationalgalerie ist ein Ende abzusehen. Im kürzlich veröffentlichten Jahrbuch 2019 spricht Parzinger, seit 2008 SPK-Präsident, sein Vorgänger war Klaus-Dieter Lehmann, nicht unbedingt beschönigend von der „für die Stiftung so typischen Mischung aus höchstem Glück und hartem Kampf“.

In der jetzigen Form, heißt es in dem Papier des Wissenschaftsrats, würden die vielen unterschiedlichen Einrichtung der SPK „in ihrer weiteren Entwicklung gehemmt“. Die Stiftung wurde 1957 für West-Berlin gegründet. Nach der Wende wuchs sie zu ihrer enormen momentanen Größe mit über einem Dutzend Museen, der Staatsbibliothek, dem Geheimen Staatsarchiv und Forschungseinrichtungen wie dem Iberoamerikanischen Institut.

Jedes dieser Häuser hat eigene Hierarchien und eine eigene Direktion. Die Staatlichen Museen unterstehen einem Generaldirektor mit Stellvertreterposition und jedes Museum noch einmal einer gesonderten Leitung. Und oben drüber oder vielleicht darunter sitzt der Präsident.

Oberste Entscheidungsinstanz ist der Stiftungsrat

Laut dem Gutachten sollen diese Strukturen aufgelöst werden. Die Wissenschaftler halten offensichtlich eine Vierteilung für effektiver: Demnach blieben die Museen unter einer Leitung. ebenso die Stabi, das Staatarchiv und die Lateinamerikaner am Potsdamer Platz. Darüber hinaus soll über eine veränderte Finanzstruktur nachgedacht werden.

Die Preußenstiftung mit ihrem Jahresetat von knapp 336 Millionen Euro und 2000 Mitarbeitern wird wesentlich vom Bund getragen, ein kleinerer Teil kommt vom Land Berlin und den anderen Bundesländern. Es sei sinnvoller, wenn der Bund und Berlin die Fördermittel für die SPK unter sich ausmachen. Damit würde der föderale Rest verschwinden.

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Das wird ein heftiges Sommergewitter. Da schlägt der Blitz jetzt ein bei der SPK. Allerdings handelt es sich beim Wissenschaftsrat um ein vorschlagendes Gremien. Oberste politische Beschlussorgan der Stiftung ist der Stiftungsrat. In ihm sind die Bundesregierung und alle 16 Bundesländer vertreten. Er wählt den Präsidenten und genehmigt den jährlichen Haushalt.

Was aus der Stiftung wird, geht alle an

Ohne Zustimmung des Stiftungsrates wird sich wenig ändern, und da es auch um nicht wenig Geld geht, werden sich auch Regierungen und Parlamente einschalten. Die Kulturstaatministerin hat – lange überfällig – ein Riesending angepackt.

Weltkultur, Museumsmetropole, Kulturnation. Worum es geht, hat Neil MacGregor, bei seiner Vorstellung als Gründungsintendant des Humboldt Forums 2015 gesagt: „Es gibt fünf Orte auf der ganzen Welt, an denen man die Menschheitsgeschichte anhand der Museumsobjekte darstellen kann. Das sind London, Paris, St. Petersburg, New York und Berlin.“ Und Berlin hatte sich seiner Meinung nach hier bisher unter Wert verkauft. Was aus der Stiftung wird, geht alle an. Der Preußische Kulturbesitz gehört den Bürger der Bundesrepublik, sofern er nicht gestohlen und entzogen ist.

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