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Kultur: Auftakt ohne Takt

Ein

von Jan SchulzOjala

Das fängt ja sonderbar an: In letzter Minute hat die ursprünglich überpünktlich organisierte Berlinale – mit Lajos Koltais Debüt „Fateless“ nach Imre Kertész’ „Roman eines Schicksallosen“ – noch einen Film in den Wettbewerb aufgenommen. Sowas kommt vor. Doch dafür hat sie den außer Konkurrenz plazierten „Heights“ gestrichen. Ein echter Rauswurf: Sowas kommt besser nicht vor auf Filmfestivals.

Eine Erklärung dieses programmatisch beispiellosen Reißschwenks war gestern von der Berlinale offiziell nicht zu bekommen. So sind wir zunächst aufs Spekulieren angewiesen. Und auf den Blick ins eigene Blatt. Da hatte sich Kertész in einem Interview unlängst bitter beklagt, dass die Berlinale den auf seinen autobiografischen KZ-Erinnerungen beruhenden Film für den Wettbewerb abgelehnt hatte. Das Angebot, „Fateless“ in einer Nebenreihe zu zeigen, habe der Regisseur „zu Recht abgelehnt“.

Politische Pressionen nun also? Derlei hat Berlinale-Chef Dieter Kosslick noch am Dienstag im Tagesspiegel-Interview mit großer Gebärde von sich gewiesen. Auch herrscht an großen und kleineren Spiel- und Dokumentarfilmen zum Thema Nazis und Holocaust auf diesem Festival kein Mangel. Was also mag die plötzliche Einsicht befördert haben, „Fateless“, für das Nobelpreisträger Kertész selbst das Drehbuch schrieb, gehöre nun doch auf die Berlinale?

Möglich auch, dass eine andere Nachricht den Ausschlag gab: Glenn Close, der „Heights“-Star, hat in letzter Minute abgesagt. Ob die Berlinale nun ein Exempel statuieren will? Kommt die Mannschaft nicht, kommt auch nicht der Film: So macht man das anderswo in der Ersten Festivalliga – zumindest so lange man noch plant. Aber was für ein Licht wirft das, wenn alle Programme gedruckt sind, auf den Film, den man so locker opfert? Und wird dieser Tage womöglich auch noch der leichtgewichtige „Hitch“ gekickt, wenn Superstar Will Smith wegbleiben sollte? Wie man es auch wendet: Der Schaden ist beträchtlich. Wankelmut befremdet, aus welchen Gründen auch immer. Wer Filme verbannt, die er ursprünglich haben wollte, ist ein schlechter Auswähler. Oder ein schlechter Gastgeber. Oder beides.

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