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Kultur: Augen zu und durch

Der gute Ton ist heilig: Die Pat Metheny Group im TempodromVON MICHAEL PILZZunächst stürzt er allein auf die Bühne, hastet an sein sonderbarstes Instrument.Seine Harfengitarre trägt zwei Hälse und ist kreuz und quer mit Saiten verdrahtet.

Der gute Ton ist heilig: Die Pat Metheny Group im TempodromVON MICHAEL PILZZunächst stürzt er allein auf die Bühne, hastet an sein sonderbarstes Instrument.Seine Harfengitarre trägt zwei Hälse und ist kreuz und quer mit Saiten verdrahtet.Er vollführt ein ausgedehntes Solo auf seiner "42 string pikasso guitar".Entwirft ein wunderhübsches Stück Musik, bei dem die Rechte flink über die umfangreiche Besaitung huscht, während die Linke zuverlässig den Baß greift.Das ist Pat Metheny: ein Akrobat und ein Musiker, dem der gute Ton so heilig ist wie die Stimmung, die er stiftet.Und dafür wird er geliebt.Deshalb eilt man immer wieder zu ihm ins Tempodrom."Musik als Trip" hat er einmal gesagt, und er hält die Augen fest geschlossen, bis das letzte Arpeggio verklungen ist.Dann strahlt er ins Konzertzelt, der lockere Lümmel aus Missouri.Unfrisiert wie immer, in Jeans und Ringelhemd steht er in einer Kulisse aus kreisenden Lichtpunkten.Seine Band hält Einzug mit klingelnden Windspielen.Die Musik bricht los mit dem Gerassel und Geschüttel von drei Schlagwerkern.Mit Keyboards, Baß, Drums und Methenys Gitarre, die er hochjazzt zu den üblichen Soli mit ihren gedehnten Spitzentönen.Seit zwanzig Jahren besteht diese Pat Metheny Group.Als Hort, wo er hegt, was er offenbar am liebsten spielt: Fusion Jazz, hieß es früher in den Achtzigern.Heute geht man mit Schubläden behutsamer um, was wenig ändert an der Musik.Mit seiner Gruppe treibt er beharrlich im Mainstream.In "Follow Me", einem seiner neuen Stücke, folgt die Band Paul Werticos durchgeschlagenem Beat mit akustischen Schrummelgitarren.Metheny legt seine Flageoletts darüber.Steve Rodby grundiert redlich die Kadenzen im Baß, und Lyle Mays tastet sich unauffällig durch die Harmonien.Seine Gruppe pflegt diese Beständigkeit, aus der er gelegentlich zu seinem Vorteil ausgebrochen ist.Er hat für David Bowie und Joni Mitchell Pop gespielt und mit Paul Bley und Sonny Rollins einen anderen Jazz.Mit Derek Bailey, einem Pionier der freien Musik, war er zuletzt nächtelang für ein Livealbum in der New Yorker Knitting Factory.Und sein 1994er Meisterwerk war ein abgründiges Solo, das den Titel "Zero Tolerance For Silence" trug und der Vorgabe weithin gerecht wurde.Pat Metheny konnte auch anders: weder melodiös noch lyrisch, dafür kantig, expressiv und, vor allem, überraschend.Und für einen Moment weicht nun auch die Metheny Group ab von ihrer Norm.Lyle Mays langt unvermittelt unter seinen Flügel und wirft die Festplatte eines mobilen Rechners an.Es schwirrt und pluckert.Pat Metheny fällt ein mit seinem Gitarren-Synthesizer, mit Punk und Pathos.Diese "Roots of Coincidence" wuchern wie zufällig in dieses Programm.Zwischen alle volkstümlichen Klischees von Flamenco und Bossa Nova, Irish Folk und Art Rock - denn das ist Pat Metheny an diesem Abend: Ein Gitarromane, der dazu durch seine Sammlung führt, von der Bundsteglosen zur 12saitigen wechselt, von der Akustischen zur Elektrischen greift.Dann ahmt er auf den Saiten Streicher nach und Bläser.Ganz allein.

MICHAEL PILZ

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