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Kultur: Augenblick der Liebe

Bryan Ferry huldigt mit einem neuen Album seinem Idol Bob Dylan

Es ist ein herzzerreißender Abschied, einer der großen Abgesänge der Rockgeschichte. Sheriff Baker, tödlich getroffen, bittet seine Frau, ihm den Stern abzunehmen: „Mama, take this badge off of me / I can’t use it anymore.“ Das Ende naht, um den Sterbenden versinkt die Welt in Finsternis. „It’s gettin’ dark, too dark to see / I feel like I’m knockin’ on heaven’s door.“

„Knockin’ On Heaven’s Door“, 1973 von Bob Dylan für Sam Peckinpahs Spätwestern „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ geschrieben, ist eine dunkle Trauerhymne, erfüllt von elegisch driftenden Gitarren und kehlig wimmernden Backgroundchören. Bob Marley, U2 und Avril Lavigne haben den Song gesungen, Guns N’ Roses machten ihn 1992 noch einmal zum Hit. Aber so fröhlich hat dies fast schon zu Tode gecoverte Stück noch nie geklungen: Sanft schunkelt der Rhythmus, eine E-Gitarre blubbert, über perlenden Pianoakkorden und krächzender Mundharmonika schäumt der Gesang. Tod, wo ist dein Stachel? Die biegsame, leicht vibrierende Stimme gehört unverkennbar Bryan Ferry. „Knockin’ On Heaven’s Door“ markiert den Tiefpunkt seines neuen Albums „Dylanesque“ (Virgin), auf dem der 61-jährige Brite elf Songs des vier Jahre älteren Amerikaners interpretiert.

Bryan Ferry und Bob Dylan, das ist eine überraschende Paarung. Ferry, der Meister perfekt aufpolierter Oberflächen, hat sich immer mehr für Stil als für Inhalte interessiert. Dylan, den Pop-Revolutionär und vormaligen Protestsänger, hält er für einen „großen Poeten“, der „mehr Bilder, Metaphern und Worte benutzt als jeder andere Künstler, den ich kenne“. Selbst seinen Antikriegs-Klassiker „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ könne man auch „einfach als schönes Liebeslied sehen“. „A Hard Rain’s“ hatte Ferry schon 1973 mit seiner Band Roxy Music aufgenommen, seitdem trug er die Idee mit sich herum, einmal ein komplettes Dylan-Album einzuspielen.

Entstanden ist „Dylanesque“ schließlich innerhalb von drei Tagen in zwei Londoner Studios, „es war einfach die pure Lust“, wie der Sänger der Süddeutschen Zeitung mitteilte. Unterstützt wurde Ferry dabei von berühmten Sessionmusikern wie Gitarrist Chris Spedding, Bassist Guy Pratt sowie Organist Paul Carrack und überraschenderweise bei zwei Stücken sogar vom ehemaligen Roxy-Music-Mitstreiter Brian Eno, mit dem er jahrelang kein Wort mehr hatte wechseln wollen.

Das Aufgebot: gediegen. Das Ergebnis: durchwachsen. „Just Like Tom Thumb’s Blues“, das Auftaktstück, verdichtet Geschichten aus einem mexikanisch-texanischen Grenzkaff zum surrealen Reigen: „When you’re lost in the rain in Juarez“. Ferry hakt die Nummer ab, als folkloristische Fingerübung mit aufheulender Steel Guitar, Wah-Wah-Effekten und Kastagnetten. Die Generationen-Hymne „The Times They Are A-Changin’“ mit den gebenedeiten Zeilen „Come mothers and fathers / Throughout the land / And don’t criticize / What you can’t understand“ wird zu seelenlosem Mainstream-Pop. Und „All Along The Watchtower“: schnell durchgeprügelter Rumpelrock, bei dem die Musiker angestrengt miteinander um das beste Gitarrensolo wetteifern.

Ursprünglich, in den sechziger Jahren, konnte Bryan Ferry wenig anfangen mit Dylan. „Ich stand auf elektrische Gitarren und war das Gegenteil eines Folk-Puristen.“ In den schlechtesten Momenten von „Dylanesque“ wirkt er wie ein Karaoke-Sänger, der seine Stimme für Lieder ausleiht, mit denen ihn nichts verbindet. Aber die Platte hat auch berührende Augenblicke: Wenn Ferry in „Make You Feel My Love“ seine brüchige Stimme auf Pianoakkorde und Synthieteppiche bettet, wenn sich in „Positively 4th Street“ betörende Streicherarrangements entfalten. Der Höhepunkt: eine mitreißende Version von „Simple Twist Of Fate“. Ein Dreh des Schicksals, und alles kann besser werden. Ende 2008 soll das Comeback-Album von Roxy Music herauskommen.

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