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Kultur: Augenblinzeln

Fakt ist: Wir bewegen uns viel schneller als früher, texten uns immer mehr zu, aber verlieren uns aus dem Blick. Von Angesicht zu Angesicht steht man sich immer seltener gegenüber.

Fakt ist: Wir bewegen uns viel schneller als früher, texten uns immer mehr zu, aber verlieren uns aus dem Blick. Von Angesicht zu Angesicht steht man sich immer seltener gegenüber. Wird das zur Orientierung im Raum ohne Augenkontakt? Dafür hat Clemens Krauss mit seiner Raummalerei A Space bei DNA (Auguststraße 20, bis 23. April) eine Metapher gefunden. Er lässt auf der Wandfläche seine Figuren herumirren. Bunte Torsi mit Armen, Oberkörpern und Kopf. Aber Augen fehlen. Seine Blicklosen stehen, winken, stolpern, gestikulieren. Dieses Szenarium malt Clemens Krauss mit Öl und Bindemittel direkt auf die Wand. Pastose Momentaufnahmen in blitzartig erstarrten Bewegungen. Und doch ewig verkleinernd. Wie mit Fernrohrblick. (Arbeit ohne Preis – geht beim Abbau zu Bruch)

Ganz anders ist Brigitte Waldach im Basement der Galerie. Ihr Blick geht nach innen. Eine Rauminstallation mit Worten, Tönen, Fotografien, Stuhl, Ausgussbecken, Fallrohren und einer Glühbirne, die von der Decke hängt. Dieser kleine Waldach-Raum ist eine Entdeckung! Bislang verborgen, wie ein Versteck auf dem Dachboden aus Kinderjahren. Hier werden jetzt die alten Geheimnisse geflüstert, die bösen Fragen gestellt, die Angst seziert. Denn „Es war Mord“. So heißt der Titel ihrer Annäherung, für die der Bachmann-Roman „Malina“ Pate stand. Die Waldach’sche Methode der „Sichtung“ forscht genau nach dem, was wir erkennen, wenn wir uns nicht Sand in die Augen streuen lassen. Ein wahrer Mikroskop-Blick. (Preis auf Anfrage)

Und dann die Videoarbeit „Mirrorlight“ von Marianna Vassileva mit einem Spiel, das jeder kennt. Da macht sie mit einem einfachen Taschenspiegel aus dem Sonnenschein tanzende Lichtflecken. Schickt mit diesem Licht fröhliche Aufmerksamkeit auf ein fremdes Gesicht. Und ohne Berührung berührt sie. Eine Schrecksekunde, dann wird schon zurückgeblinzelt. Herübergelacht. Nur einmal in den acht Minuten Film wehrt sich eine Hand und verdeckt sofort die Augen. Leider ist Vassilevas Arbeit hier so unglücklich platziert, das sie sich fast selbst dem Blickfeld entzieht. Da braucht es den Blick für die Nische. (8000 Euro)

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Genau den beherrscht man in der Galerie Berinson bestens (Auguststraße 22, bis Ende April). Die aktuelle Ausstellung würdigt Gabriele und Helmut Nothhelfer . Zwei Fotografen – gemeinsame Blickkontrolle. Für sie hat es so etwas wie Angst vor fremden Augen wahrscheinlich nie gegeben. In ihren Fotografien findet sich die ganze Palette der Emotionen. Zwei Meister, eine Handschrift. Sie bannen die Begegnung der Augen bis heute mit einer Leica, egal, wer von beiden sie auslöst. Die Auslese jetzt ist handverlesen – großartig. (3600 bis 5400 Euro)

Thea Herold

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