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Kultur: Augenmensch und Lieblingsmaler

Seit zehn Jahren ein Besuchermagnet in Berlin: Heinz Berggruen über das Erfolgsgeheimnis seines Museums

Herr Berggruen, zehn Jahre nach seiner Eröffnung ist Ihr Museum immer noch ein Besuchermagnet. Woher kommt der Erfolg?

Sie sollten mal in unsere Besucherbücher schauen: diese Begeisterung! So etwas wie meine Sammlung hat offenbar in Berlin gefehlt. Es war wenig Vergleichbares da; die Sammlung der Neuen Nationalgalerie hat fast nichts von Picasso. Aber viele Menschen wollen genau das sehen.

Vergangene Woche haben Sie Ihre Sammlung im Pariser Picasso-Museum vorgestellt. Was für ein Gefühl war es, in die Stadt zurückzukommen, in der Sie Jahrzehnte gelebt haben?

Vor dem Museum war ein Andrang, wie ich ihn noch nie erlebt habe: Die Schlangen reichten bis zur Rue de Gaulle – ein Triumph. Mich hat besonders berührt, dass ich der einzige Sammler bin, der je im Musée Picasso ausstellen durfte. Aber ihnen war diese Hommage ein Bedürfnis.

Was lässt Ihre Sammlung so außergewöhnlich erscheinen, dass das Museum eine Ausnahme macht?

Es ist eine sehr private, sehr persönliche Sammlung, keine Museumssammlung im konventionellen Sinn. Ein Museumskurator achtet darauf, welche Werkgruppen noch nicht vertreten sind, und kauft sie dann. Aber wenn ich ein Bild von Dora Maar sehe, kann ich nicht widerstehen. Noch eine Dora Maar und noch eine! Zum Glück gibt es so viele davon.

Zurzeit gibt es eine Flut von Picasso-Ausstellungen, in Paris, Wien, Berlin und demnächst Frankfurt. In Wien konzentriert man sich auf das Spätwerk. Wie schätzen Sie die Werke dieser Periode ein?

Ich schätze das Spätwerk als das, was es ist: ein Teil von Picasso. Eigentlich schätze ich alle Phasen , weil jede eindeutig das Picasso-Markenzeichen trägt.

Die morgen eröffnende Berliner Ausstellung, die als Gegengabe zur Pariser Schau Leihgaben aus dem Musée Picasso präsentiert, konzentriert sich auf Zeichnungen. Auch in der Wiener Albertina spielen Zeichnungen eine große Rolle. Ist das grafische Werk der Malerei ebenbürtig?

In der Produktion ganz sicher: Picasso hat unheimlich viel gezeichnet. Allein im Musée Picasso gibt es aus dem Nachlass rund 1000 Zeichnungen – wir zeigen hier „nur“ 140. Aber vom Künstlerischen her, von der Aussage, Kraft und Bedeutung, würde ich einen größeren Stellenwert den Bildern und Skulpturen geben. Die Zeichnungen führen zu den Gemälden.

Sie haben Picasso zu einer Zeit entdeckt, als er noch nicht der Jahrhundertkünstler war. Hat es Sie jemals gereizt, weiter zu sammeln, bis in die Gegenwart hinein?

Ich bin sehr konservativ. Ich habe große Mühe mit zeitgenössischer Kunst und frage mit viel Skepsis, was zum Beispiel von der Neuen Leipziger Schule bleiben wird. Das ist auch eine Generationsfrage. Der große Kunsthändler Daniel-Henri Kahnweiler, der als einer der wenigen sofort die Qualität von Picassos kubistischen Bildern erkannt hat, suchte immer auch eine Beziehung zu aktueller Kunst und hat jahrelang sogenannte junge Künstler gezeigt – eine Katastrophe, geradezu peinlich. Es war schwer, ihm das zu sagen.

Mit welcher Epoche haben Sie aufgehört zu sammeln?

Für Miró konnte ich mich noch erwärmen; ich kannte ihn gut, er war ein spanischer Kleinbürger ohne Ausstrahlung, ganz im Gegensatz zu seinem Landsmann Picasso, aber gleichwohl ein wunderbarer Maler: Alles, was er im Kopf hatte, hat er in seine Kunst gepackt. Ansonsten: Picasso, Klee, Giacometti – danach war Schluss für mich. Ziemlich früh also schon. Aber ich bin ja auch schon fast ein ganzes Jahrhundert alt.

Sie haben immer wieder Bilder aus Ihrer Sammlung verkauft und andere angekauft. Gibt es noch offene Wünsche?

Ja, aber sie sind unerfüllbar. Das Picasso-Bild von Dora Maar zum Beispiel, das bei seiner Versteigerung in New York vor zwei Jahren für Furore sorgte, weil es 85 Millionen Dollar brachte. Das habe ich selbst 1963 für 100 000 Dollar verkauft – hier, sehen Sie, heute Morgen ist mir noch einmal die Quittung in die Hand gefallen. Dieses Bild hätte ich natürlich gern zurück. Aber ich habe nun mal keine 85 Millionen Dollar.

Erinnern Sie sich noch an alle Bilder, die Sie verkauft haben?

Nicht an alle, aber an dieses erinnere ich mich genau. Auch an viele andere, die ich heute gerne besäße. Aber das gehört nun einmal zum Kunsthandel.

Apropos Kunsthandel: Derzeit wird viel über Restitutionen gesprochen; in Berlin hat es den spektakulären Fall der Kirchner-Rückgabe gegeben. Wie sehen Sie die Situation?

Man kann den freien Handel natürlich nicht einschränken, aber es wäre schöner, wenn es anders gelaufen wäre. Das Bild war ein Glanzstück des Brücke-Museums, und es wäre wichtig, wenn es dorthin zurückkäme.

Um auf Ihr Museum zurückzukommen: Fühlen Sie sich nach Auszug des Ägyptischen Museums am Standort Charlottenburg noch richtig aufgehoben? Oder wäre nicht langfristig eine Eingliederung in die Neue Nationalgalerie sinnvoll?

Es war sehr schön mit dem Ägyptischen Museum hier, und ich bin nicht sicher, ob die jetzigen Planungen mit der Sammlung Gerstenberg glücklich sind. Berlin ist eine geografisch große Stadt, und es liegt alles sehr verstreut. Andererseits bin ich sehr zufrieden hier, weil die Menschen immer wieder kommen. Mein Museum soll und muss hier bleiben; das ist vertraglich festgelegt.

Das Interview führten Nicola Kuhn und Christina Tilmann.

Zum Jubiläum des Berliner Museum Berggruen wird morgen im westlichen Stülerbau die Ausstellung Picasso – Der Zeichner mit 140 Blättern aus dem Bestand des Musée Picasso eröffnet (bis 7. 1., Katalog, Nicolai-Verlag). Im Gegenzug präsentiert Heinz Berggruen in Paris seine sonst in Berlin gezeigte Picasso-Sammlung (bis 8. 1.). Parallel dazu zeigt die Albertina in Wien in einer von Werner Spies eingerichteten Ausstellung das Alterswerk des Künstlers unter dem Titel Picasso – Malen gegen die Zeit (bis 7. 1., ab 3. 2. in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Katalog, HatjeCantz, 49,90 €).

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