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Kultur: Augensterne

staunt über drei Engländer in Berliner Galerien Mit Trends ist es so eine Sache. Anfangs will jeder dazugehören.

staunt über drei Engländer in Berliner Galerien Mit Trends ist es so eine Sache. Anfangs will jeder dazugehören. Doch kaum hat eine Welle ihren Höhepunkt erreicht, will keiner mehr dabei gewesen sein. So war es auch mit den Young British Artists, die in den Neunzigern für Sensation sorgten. Schlagzeilen bekommt allerdings inzwischen weniger der Schockeffekt als die Marktgängigkeit. So wollte bei der Versteigerung von Damien Hirsts Londoner Restaurant „Pharmacy“ im Herbst offenbar jeder noch einmal ein Stück vom Kuchenteller. Längst haben aber auch andere die Vorzüge des Marktes für sich entdeckt. Der 1958 geborene Künstler Julian Opie etwa. Irgendwann in den Neunzigern kam ihm eine Idee: Warum nicht Gesichter auf wenige Spezifika vereinfachen, in farbige Flächen umsetzen und mit Knopfaugen versehen? Gesagt, getan. Und getan. Und getan. Eine Ausstellung in der Berliner Galerie Barbara Thumm (Dircksenstraße 41, bis 15. Januar) zeigt nun neue Arbeiten des Briten, die letztlich nur Varianten der ursprünglichen Idee sind: „Monique, Businesswomen-housewife 9“ oder „Bijou, Model“ (beide 15000 Pfund). Inzwischen lässt Opie computeranimierte Figuren wandern und oben ohne tanzen oder schafft reduzierte Landschaften aus Stoff (20000 Pfund). Bei der Arbeit „Sunlight on water“, wo künstliche Sterne auf einer künstlichen Wasseroberfläche aufblitzen und Sphärensound erklingt, nimmt er für einen Moment sogar seine Oberflächenversessenheit auf die Schippe. Tiefere Erkenntnis vermittelt das nicht. Sehenswert ist es allemal.

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Anders als bei Opie weiß man bei Angus Fairhurst nie, was einen erwartet. In den vergangenen 15 Jahren hat der 1966 im englischen Kent geborene Künstler gemalt, gezeichnet, Videos und Animationsfilme produziert und mit Drucken und Tapeten experimentiert. In der Galerie Contemporary Fine Arts (Sophienstraße 21, bis 15. Januar, geschlossen vom 23. Dezember bis zum 2. Januar) zeigt er nun eindrucksvolle Magazin-Collagen, die teilweise die Größe von Werbetafeln erreichen (2000– 24000 Pfund). Die Menschen und ihr Zubehör sowie die Texte sind zu Leerstellen geworden, hinter denen weitere Ausschnitte kleben. Diese Tiefenschichtungen ziehen das Auge nach innen. Schon auf dem Berliner Art Forum gehörte Fairhursts 450 Kilo schwerer Bronzegorilla zu den Highlights (75000 Pfund). Hier beendet der Affe, der seinen abgetrennten Kopf in die Höhe hält, machtvoll den Ausstellungsparcours. Und mit seinem britischen Humor nennt Fairhurst die Skulptur: „I’m sorry and I won’t do it again“.

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Auch sein Landsmann Mark Wallinger stellt die großen Fragen nach Identität, Zeit und Raum. Während er zuletzt des nachts als trauriger Bär in der Neuen Nationalgalerie Wache hielt, zeigt er in der Galerie carlier gebauer die atemberaubende Installation „The Underworld“ (94000 Pfund). 21 Monitore stehen im Kreis am Boden, die Bildschirme nach innen gerichtet . Zeitlich versetzt läuft das Requiem von Verdi in einer Aufführung von Claudio Abbado aus dem Jahr 1982. Der vielstimmige Klang der BBC-Aufführung schnurrt zum Höllensound zusammen. Der Besucher bleibt in dieser hermetischen Struktur außen vor – und ist dennoch mittendrin, bis ihm die Ohren sausen (bis 18. Dezember, Holzmarktstraße 15-18, Bogen 51/52).

Katrin Wittneven

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