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Echt nicht bayrisch. Das Augustiner verwechselt Tradition mit Unfreundlichkeit.

© Marc Tirl/dpa

Augustiner am Gendarmenmarkt: Auf (k)ein Bier nach Beethoven

Am Gendarmenmarkt gibt es eigentlich genug Brauereigaststätten. Trotzdem ist es nicht leicht, hier ein gutes Bier zu bekommen. Anmerkungen eines Durstigen.

Das Schöne am Berliner Konzerthaus ist ja: Anders als bei der Philharmonie ist das Essen danach kein Problem. Man steht nicht vor der Wahl, sich entweder in den Wald zu schlagen (der Tiergarten beginnt gleich vor der Tür) oder durch die gastronomische Brache des Kulturforums zu ziehen wie Moses durch die Wüste. Sondern steht sofort auf dem Gendarmenmarkt, umflossen von Urbanität, gleich mehrere Restaurants kämen infrage. In der Theorie. In der Praxis landen wir doch immer wieder beim Augustiner – weil er um die Ecke liegt, vom Konzerthaus in 30 Sekunden zu erreichen. Und wegen des Biers natürlich. Das schmeckt nicht nur, denn ihm fehlen all die Ambitionen, die Craft Beer oft so ungenießbar machen. Die Brauerei hat auch eine gute Story: so früh gegründet wie keine andere (1328), als Stiftung organisiert, nie übernommen worden und wohl auch deshalb kein globalisiertes Allerweltsbier.

Die Sache hat nur einen Haken: Um im Augustiner am Gendarmenmarkt Bier zu trinken, muss man es erst serviert bekommen. Was klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist keine. Tische werden hier nicht zugewiesen, sondern im freien Kampf der Tüchtigsten erobert, und paradoxerweise haben die größten, also eigentlich unflexibelsten Gruppen die besten Karten. Neulich waren gefühlt zehn Tische unbesetzt – und alle reserviert. Als einer frei wurde, haben wir uns sofort gesetzt, die Reste von Sauerkraut und abgenagten Schweinshaxen vor der Nase. Hätte ja klappen können.

„Sie sind zu siebt?“, fragt uns, die wir offensichtlich zu zweit sind, der Kellner und zieht die Augenbraue hoch. Er wischt den Tisch ab – und kommt nie wieder. Auch keine Kollegin. Zumindest nicht in den 20 Minuten, die wir als Frist setzen, bevor wir die frische Luft des Gendarmenmarkts bevorzugen. Die dann allerdings im Tiergarten doch besser wäre. Ja, natürlich könnte man einfach woanders hingehen. Natürlich ist die holzgetäfelte Gemütlichkeit, sind die Dirndl und Lederhosen fake, Disneyland am (Französischen) Dom. Und natürlich sind die Kellnerinnen und Kellner von einer Ruppigkeit, die wohl nur Touristen ertragen können, weil sie sowieso nur einmal vorbeischauen. Eine Ruppigkeit, die auf einem tiefen Missverständnis dessen basiert, was „bayrisch“ ist, die von echtem herzhaften Granteln weiter entfernt ist als die Isar von der Spree.

Zum Augustiner kommt man nie als Gast, immer nur als Bittsteller

Wir waren gewarnt, haben schon oft lange gewartet, bevor wir überhaupt in den Wahrnehmungskreis des Personals gerückt sind. Den Augustiner betritt man nie als Gast, nur als Bittsteller. Trotzdem ist da immer noch die Hoffnung: dass es auch in Berlin-Mitte einen Ort geben könnte, der mehr ist als die Simulation einer Brauereigaststätte. Einen Ort, den man, wenigstens für einen Augenblick, für eine wirkliche Kneipe halten könnte, an dem sich ein Moment des richtigen Lebens im falschen ereignen könnte, sozusagen. Einen Ort, an dem man die touristische Verwertung von Bierkultur, ihre Verkapitalisierung, als Oberflächenschaum akzeptieren - und vergessen - kann.

Einfach woanders hingehen? In der Gaststätte einer konkurrierenden bayrischen Brauerei (mehrere haben sich rund um den Gendarmenmarkt angesiedelt) werden wir innerhalb von fünf Minuten bedient. Aber das Bier schmeckt, als hätte jemand lauwarmes Wasser über getragene Socken geschüttet. Nein, zum Augustiner gibt es keine Alternative. Und wenn wir die Halb-Liter-Flasche Helles nicht am Späti holen wollen, werden wir nach dem Konzert wieder dort hingehen. Dass das Personal es weiß, ist seine stärkste Waffe.

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