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Auktion: Himmelsstürmer

Max Beckmann überflügelt sie alle – das war schon im Frühjahr so. Sein „Blick auf Vorstädte am Meer bei Marseille“ war bereits im Vorfeld mit geschätzten 1,4 bis 1,8 Millionen das spannendste Los nicht nur der Herbstauktionen bei Grisebach, sondern der gesamten Saison in Deutschland.

Dieser Platz ist der sommerlichen Küstenlandschaft nun gewiss, die mit ihrer waldigen, bis ins Schwarz abgedunkelten Anhöhe und einem gefährlich ins Bild ragenden Felskeil auch von der inneren Zerrissenheit des Künstlers im Amsterdamer Exil zeugt. Nach einem langen Bieterstreit wurde das 1937 entstandene Gemälde, das sich einst in der berühmten Sammlung des Beckmann-Freundes und -Förderers Stephan Lackner befand, einer Dame im Saal bei 2,2 Millionen Euro zugeschlagen. Das Publikum spendete kräftigen Applaus für den zweithöchsten Zuschlag in der Geschichte der Villa Grisebach. Eingedenk des Aufgelds geht es nun für 2 618 000 Euro in eine süddeutsche Privatsammlung.

Am Beginn der exklusiven Abendauktion standen zwei kleinformatige Ölbilder von Carl Gustav Carus. Zwischen dem Vorbild Jacob van Ruisdael und einer romantischen Stimmungslandschaft changiert die „Überschwemmung im Leipziger Rosental“ – wo der 1789 geborene Arzt, Forscher und Künstler aufgewachsen war. Das Naturschauspiel reizte einen Schweizer Privatsammler bis 32 000 Euro, womit die Schätzung mehr als verdoppelt werden konnte. Den mit geradezu wissenschaftlicher Akribie eingefangenen „Laubwald. Landschaft mit Vögeln und Bäumen“ des Caspar David Friedrich-Freundes sicherte sich selbiger Telefonbieter für 20 000 Euro.

Ein guter Einstieg für eine Auktion, mit der das Haus in der Fasanenstraße einmal mehr seine Position im Bereich der klassischen Moderne behauptete. Den zeitlichen Übergang markierte Emil Noldes 1903 gemalter „Waldbach“. Wenngleich noch untypisch und vom Eindruck des Spätimpressionismus’ geprägt, war das Gemälde einem Schweizer im Saal 100 000 Euro wert.

Ganz im Zeichen der Aufbruchstimmung hingegen kündet ein im gleichen Jahr von Paula Modersohn-Becker gemalter „Sitzender Mädchenakt nach rechts“ von kühner Modernität. Das entzückende und lediglich 30 mal 27 Zentimeter messende Temperabild auf Pappe kletterte denn auch von geschätzten 100 000 auf 160 000 Euro.

Mit insgesamt 61 Losnummern fiel die Offerte zwar wieder etwas schmaler aus als in Hochphasen, aber dank der Schätzungen im moderaten Rahmen konnten über 90 Prozent veräußert werden, und so manches weit oberhalb der Erwartungen: So Gabriele Münters „Blumenstrauß in hoher Vase vor blauem Grund“ (210 000 Euro) oder ein Pechstein-Aquarell für 85 000 Euro. Auch Max Liebermanns „Schafherde von 1888, im Vorfeld mit 200 000 Euro bedacht, konnte sich als zweitteuerstes Werk des Abends behaupten und wurde einem rheinländischen Sammler zum Hammerpreis von 330 000 Euro zugeschlagen.

Neben den zugkräftigen Namen war aber auch die zweite Reihe mit qualitätvollen Werken zu entdecken. Allen voran Hans Grundig, den die Vereinnahmung durch das DDR-Regime lange Zeit in Vergessenheit gedrängt hatte. Bei seinem „Mädchen mit rosa Hut“ von 1925 legen sich – wie Schatten der Weimarer Republik – rot-violette Konturen um Augen und Nase. Nicht gerade schön, aber mit leicht verwegener Melancholie und dem frechen Charme einer Walter-Serner-Figur reizte die Porträtierte einen griechischen Sammler bis 105 000 Euro. Für den 1958 in Dresden verstorbenen Realisten eine verdiente Neubewertung und ein mit Abstand neuer Rekord auf dem Auktionsmarkt.

Zu den Trouvaillen gehörte außerdem ein Wettbewerbsentwurf, den der Berliner Architekt Hans Poelzig 1925 für das Messehaus Hamburg zeichnete. Das markante Hochhausensemble in abgestuften Quadern konnte Poelzig zwar nicht realisieren, doch seine vignettierte Kohlezeichnung auf Transparentpapier, die mit gerade einmal 6000 bis 8000 Euro bewertet war, ließ ein Herr im Türrahmen des übervollen Saals gegen beharrliche Konkurrenz auf 42 000 Euro steigen.

Ein Architekt war denn auch der Star der Fotografie-Auktion, wo Ludwig Mies van der Rohes „Gläserner Wolkenkratzer“ am Vortag für Furore sorgte. Um das 1922 von Curt Rehbein fotografierte Modell der bahnbrechenden, aber ebenfalls nie realisierten Architektur entspann sich ein krimireifes Bietgefecht. Geschätzt auf 18 000 Euro, weckte vor allem eine persönliche Widmung Mies van der Rohes das heftige Begehren, das ein britischer Privatsammler inklusive Aufgeld mit rund 84 500 Euro quittierte.

Nicht ganz so dramatisch, aber dennoch als echter Ausreißer entpuppte sich Peter Beards „1 year old mountain Gorilla. Rwanda before the genocide“. Ein Saalbieter hob die handkolorierte Fotografie des Amerikaners von 5000 auf fast 37 000 Euro brutto und verwies damit das ursprüngliche Spitzenlos der zeitgenössischen Fotografie auf den dritten Platz. Allerdings konnte Hiroshi Sugimotos „Sea of Galilee, Golan“ seinen Schätzwert mit einem Hammerpreis von 25 000 Euro souverän behaupten. Neben diesen Highlights wurde die Fotografie-Offerte jedoch recht gemischt aufgenommen. Lediglich 55 Prozent der Lose wurden zugeschlagen und erzielten mit 472 000 Euro nicht ganz den Gesamtschätzwert.

Doch mit insgesamt 8,7 Millionen Euro für die „Ausgewählten Werke“ wurden die Erwartungen weit übertroffen und die Villa Grisebach geht mit starkem Rückenwind in die heutigen Versteigerungen der Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts und dem „Third Floor“.

Villa Grisebach, Fasanenstr. 35; Auktionen am heutigen Samstag: „Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts“, 10 Uhr/„Third Floor. Schätzwerte bis 3000 Euro“, 15 Uhr

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