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Kultur: Aus dem Leim

Als "Harnoncourts wildeste Kinder" werden die Musiker des 1985 gegründeten Mailänder Alte-Musik-Ensembles "Il Giardino Armonico" derzeit offensiv vermarktet.Es wäre interessant zu erfahren, was der Maestro selber von solcher Paternität hält.

Als "Harnoncourts wildeste Kinder" werden die Musiker des 1985 gegründeten Mailänder Alte-Musik-Ensembles "Il Giardino Armonico" derzeit offensiv vermarktet.Es wäre interessant zu erfahren, was der Maestro selber von solcher Paternität hält.Schon die äußeren Umstände ihres Auftritts im nicht vollbesetzten Schauspielhaus konnten einen nachdenklich stimmen, wie lax man heute mit dem Begriff einer historischen Aufführungspraxis umgehen kann: Geigen und Bratschen hatten Kinnhalter aus dem 19.Jahrhundert, die Celli Stachel, man spielte im Sitzen und neigte auch im Klanglichen zu einer gewissen Bequemlichkeit, setzte das Vibrato nicht als Spezialeffekt, sondern als Regel ein, übertrug Samuel Scheidts Gamben-Pavane im Zugaben-Teil ohne mit der Wimper zu zucken auf modernes Streichorchester und ließ sich von dem Flötisten Giovanni Antonini ungelenk dirigieren, was bei einer zwischen sieben und 13 Personen wechselnden Mini-Besetzung der Komik nicht entbehrte, aber weder der Kultur des Zusammenspiels noch der Stringenz einer markanten Interpreten-Handschrift zugute kam.

All das wäre nicht der Rede wert, wäre das Klangergebnis - historisch belegbar oder nicht - überwältigend gewesen.Das Gegenteil war der Fall."Il Giardino Armonico" hat eine Handvoll Manieren, die er auf alles anwendet, was er spielt.Schnelle Satzteile nimmt er extrem schnell, langsame extrem langsam, ohne den sämigen Stillstand durch Tonschönheit zu verzaubern.Satzenden läßt er absaufen, und innerhalb längerer Phrasen wird er regelmäßig leiser und langsamer bis zum absoluten Nullpunkt, um Tempo und Dynamik dann wieder anzuziehen.Auf die Dauer langweilt solch schematischer Manierismus, wenn sich die Gestaltungsmittel nicht gezielt mit musikalisch-rhetorischer Aussage verbinden."Il Giardino Armonico" setzt statt dessen auf absurdes Theater.Der ständige Umschlag von Dämmerzustand und aufgescheuchtem Gestikulieren in Matthew Lockes Curtain Tune aus der Bühnenmusik zu Shakespeares "Sturm" wirkt enervierend.Form, Linien und Konturen gehen aus dem Leim.Das Allegro aus Bachs 3.Brandenburgischem Konzert dürfte nie schneller gespielt worden sein.Daß es ein Dialog zwischen drei markant von einander abgebhobenen Streichergruppen ist, interessiert die Musiker offenbar nicht.Flötist Giovanni Antonini fiept sich fingerflink durch Vivaldis C-Dur-Konzert RV 443 und mimt den Star: ein schöner Ton aber klänge anders.Erwähnen wir noch Enrico Bronzi, der sich in Vivaldis Cello-Konzert RV 424 einen Rest musikalischen Menschenverstandes bewahrte, Bibers Battalia-Parodie, deren Klangexperimente der exzentrischen Truppe offensichtlich liegen, und streichen wir dann "Il Giardino Armonico" aus der Liste interessanter Alte-Musik-Ensembles. BK

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