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Kultur: Aus Spaß am Leid

THEATER

Einige leere Stühle sind im Kreis auf der Bühne des Theaters Zerbrochene Fenster aufgestellt. In Heiner Müllers Quartett (13.-16. und 20.-23. Dezember), einer Bearbeitung der „Gefährlichen Liebschaften“ von Laclos (1782), stehen nur noch zwei Gegenspieler auf der Bühne: die intrigante Marquise de Merteuil und der Schürzenjäger Valmont. Sie verkörpern den adeligen Abschaum des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Laclos Roman ist eine Abrechnung mit dem untergehenden Ancien Régime am Vorabend der Revolution. Er zeigt eine spaßgeile Gesellschaft, der jeglicher Moralbegriff abhanden gekommen ist und deren Freuden in Intrigen und sexuellen Ausschweifungen bestehen. Auch in der Inszenierung von Oliver Ernst finden Valmont (Thomas Kienast) und Merteuil (Magdalena Artelt) einen makaberen Spaß am Rollentausch und versetzen sich selber in die Opfer ihrer Ränke. Kienast überzeugt dabei nicht nur in der männlichen Rolle, sondern auch als keusche Madame de Tourvel. Aber Valmont und Merteuil können ihrer inneren Leere nicht entkommen. Es bleibt nur „das Nichts in unserer Seele, das nach Futter schreit“. Der Stuhlkreis, in dem sich die beiden bewegen, wird zum Teufelskreis. Eine menschliche Regung, eine zärtliche Geste sind in dieser Kälte undenkbar. Valmont und Merteuil berühren sich nicht, ihre Hände nähern sich lediglich dem Körper des anderen an, zeichnen seine Konturen mit mechanischen Bewegungen nach. Einige Dialoge sind durch Gesten ersetzt – als läge in der stummen Konversation eine letzte Hoffnung auf eine Verständigung.

Tilla Fuchs

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