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In der Cantine d’Augusta in Schöneberg gibt es französischen Wein und Käse.

© dpa

Ausgehen: Cantine d’Augusta in Schöneberg: So riecht der Herbst

Im Herbst gibt es endlich wieder Mont d'Or. In der Cantine d’Augusta in SChöneberg lässt sich dieser herrlich gemeinsam mit Rugby genießen, findet unser Autor.

Dicht an dicht stehen sie eigentlich immer in der Cantine d’Augusta unweit der Langenscheidtbrücke, denn hier schlägt das gut durchblutete frankophone Herz Schönebergs. Doch diesmal richten sich viele Blicke auf eine Leinwand hinter der Eingangstür: Auf ihr lässt sich ein Spiel ausmachen, das einen Haufen Männer und eine Art Ball in handgreifliche Beziehungen zueinander setzt. Unwiderstehlicher Käsegeruch zieht aus der offenen Vitrine und den kleinen Öfen zum Überbacken. Endlich kommt er, der Herbst und mit ihm der neue Mont d’Or, denn dieser Rohmilchkäse im würzigen Fichtenreif ist eines der letzten echten Saisonprodukte. Im Ofen geschmolzen, lässt er sich langsam aus seinem Holzkistchen löffeln.

Das Spiel auf der Leinwand entpuppt sich als Rugby, bei der Weltmeisterschaft in England schlägt Frankreich an diesem Abend Rumänien deutlich. Doch das weintrinkende Supportariat ist von seiner Mannschaft hörbar nicht sonderlich beeindruckt. Im angeordneten Gedränge hat der Trainer zu viel gewechselt und keinen echten Star hochkommen lassen. Zwischen bizarr klingenden Positionen wie Gedrängehalb, Hakler und linkem Pfeifer kam nur wenig Spielmagie auf. Aber bis zum Finale sind es noch einige Wochen, und bei Wirt Sébastien Gorius vergehen die nicht trostlos. Gerade hat er seine Weinkarte fertig gebastelt, die jetzt 135 Positionen auf einem Klemmbrett vereint.

Sein Liebling ist der Château de Cèdre, ein dunkler, generöser Wein aus dem Cahors, der einem eine leichte Decke über die Schultern legt, die man im muckelig warmen Hinterzimmer der Cantina eigentlich gar nicht braucht. Versucht man ihn aber zu Ziegen- und Schafskäsen zu trinken, zeigt der Rote, dass er auch stinkig werden kann. Sauvignon blanc von der Loire strömt helfend herbei und bändigt die konzentrierten Aromen von verlaufendem Rocamadour und dem Banon in seinem Kastanienblatt. Spätestens beim zarten Brand Marc de Champagne hat man komplett vergessen, dass die Musik jetzt lauter spielt und ringsum schon die Stühle hochgestellt werden. Die Rechnung kommt in einer Spanholzschachtel, die einmal einen Camembert de Normandie beherbergte. „Édition spéciale – 70 ans D-Day Normandy“ steht auf dem Etikett. Mit einem erleichterten Merci geht es hinaus in die Herbstnacht.

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