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AUSGEHEN: Gentrifizierung von innen heraus

In den drei Jahren, in denen ich in die Kreuzberger Borussia-Dortmund-Fankneipe gehe, deren Name nicht genannt sein soll, hat sich ihre Umgebung verändert. Da gingen Spätis und Teestuben, da kamen Hipster-Boutiquen und geckige Bars.

In den drei Jahren, in denen ich in die Kreuzberger Borussia-Dortmund-Fankneipe gehe, deren Name nicht genannt sein soll, hat sich ihre Umgebung verändert. Da gingen Spätis und Teestuben, da kamen Hipster-Boutiquen und geckige Bars. Immer öfter bekam einer von uns beim Halbzeitplausch auf dem Bürgersteig von Passanten eine Kinderwagenhaube oder einen stylishen Büffellenker in den Rücken gerammt. Es ist eigentlich zu klischeehaft, um davon zu sprechen.

Nun aber hat die Entwicklung auch die Kneipe selbst erreicht: Auf schick angestrahlten Kreidetafeln wirbt sie – die Bierpinte, deren Namenszusatz „Cocktailbar“ man immer für ein Relikt aus ambitionierteren Zeiten gehalten hatte – plötzlich für Bio-Limo und Cocktails mit lustigen Namen wie „Dr. Brinkmann hat Urlaub“ oder, schlicht, „Das Übel“. Es gibt Aperol Spritz, Rhabaperol gar, und am (Ex-)Hundekackbaum an der Außenseite des Bürgersteigs stehen Vintage-Stühle um Apfelsinenkisten mit Windlichtern drauf.

Noch am Abend des ersten großen Sommergewitters hatte sich der mitgeschleifte glutenunverträgliche Freund hier kaum getraut, eine Weißweinschorle zu bestellen – jetzt ist sie, neben Bier, fast das volkstümlichste Getränk im Angebot. Alles schrecklich? Iwo! Die Fußball-Stammbelegschaft feiert die Wirte für ihr taktisch kluges Spiel, mit dem sie außerhalb der Fußballzeiten Laufpublikum locken wollen. 150 Meter nach links verbot eine BVB-Fankneipe zunächst das Singen und will nun, mit neuem Betreiber in aufgewerteter Umgebung, gar nicht mehr schwarz-gelber Treffpunkt sein. 150 Meter nach rechts will sich ein anderer Fantreff das Sky-Abo nicht mehr leisten. „Das Übel“, so viel ist sicher, ist da definitiv das kleinere solche.

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