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Kultur: Ausgekokst

Hilla und Bernd Bechers Zechen-Fotos in Köln

Das Werk der Bechers ist abgeschlossen. Seit dem Tod von Bernd Becher im Juni 2007 sichtet und ordnet Hilla Becher den ungeheuren Bestand, Frucht einer vier Jahrzehnte währenden Arbeits- und Lebensgemeinschaft. Die Fotografien der Bechers sind längst nicht mehr nur Dokumentationen des – mittlerweile großenteils verschwundenen – Objektbestandes der Hütten- und Schwerindustrie, sondern haben zugleich unsere Sicht auf diese Bauten und Objekte geformt.

Abgeschlossen, aber längst nicht aufbereitet: Nahezu jede Ausstellung zeigt neue Facetten des Oeuvres, neue Werkgruppen, und im besten Fall – wie jetzt in der Stiftung Kultur in Köln – einen eigenen, unterschätzten Arbeitsbereich. In Köln geht es um die Totalansicht eines einzelnen Werkes, der Zeche Hannover in Bochum-Hordel, die die Bechers zwischen 1971 und 1974 erkundeten. Eine solche Totalansicht ist im Werk des Fotografenpaares nicht unbekannt, war jedoch über Jahre hinweg von den „Typologien“ verdeckt, in denen einzelne Gattungen der Industriearchitektur und -technik in all ihrer staunenswerten Vielfalt systematisch vorgeführt wurden.

Kaum ist noch im Bewusstsein, dass die Bechers überhaupt mit solcher Art von Totaldokumentation hervortraten. 1969 erhielten sie den Auftrag, im Rahmen des von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsvorhabens zum 19. Jahrhundert die Dortmunder Zeche „Zollern 2“ zu dokumentieren – die daraufhin als erster derartiger Industriekomplex überhaupt in Deutschland zum Denkmal erklärt wurde. Im selben Jahr begann auch die Dokumentation. Für die Bechers ging es damals ums schiere Geldverdienen, denn für Industriefotos interessierte sich noch kaum ein Sammler. Zugleich aber bedeutete die Veröffentlichung von „Zollern 2“ 1977 zunächst einen Riesenschritt hin zur Wahrnehmung der technischen Bauten – und dann zum Erkennen der unvergleichlichen Sicht der Bechers.

Bei der Kölner Stiftung, die bereits große Konvolute der Becher-Fotografien gesammelt hat, sind jetzt die Aufnahmen einer der auch seinerzeit nur noch wenigen, vollständigen Hüttenanlagen zu sehen. Zeche Hannover umfasste die Kohlenförderung ebenso wie die nachgelagerte Koksgewinnung sowie ein Kraftwerk. Bereits im Frühjahr 1973 wurde die Zeche stillgelegt, die fotografische Erfassung dauerte bis in den Sommer 1974.

Die noch wie in sonntäglicher Ruhe – die es in Wirklichkeit natürlich nie gab – daliegende Riesenanlage der Zeche Hannover wäre, selbst wenn sie erhalten worden wäre, nie in diesem Zustand verblieben. Die Fotografien zeigen einen Kosmos von Industrie, von physischer Verausgabung, wie er sich dem bloßen Auge nie darbot: als ein gefrorener Moment der Anwesenheit der Bauten und Objekte, ohne alle flüchtigen Spuren der Benutzung. Nur im Werk der Bechers besteht fort, was einmal das Leben einer ganzen Region bestimmte. Bernhard Schulz

Stiftung Kultur, Köln, Im Mediapark 7, bis 18. Juli. Begleitbuch bei Schirmer/Mosel, 280 S., , 68 €. – www.sk-kultur.de

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