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Kultur: Außenblick im Innenraum

In Berlin geben Galerien ihre Ausstellungen selten in die Obhut von Kuratoren. Allein Markus Richter lädt seit letztem Jahr regelmäßig Kuratoren dazu ein, die Verantwortung für drei aufeinanderfolgende Ausstellungen im Kellerraum zu übernehmen, während das Programm der Galerie im Parterre weiterläuft.

In Berlin geben Galerien ihre Ausstellungen selten in die Obhut von Kuratoren. Allein Markus Richter lädt seit letztem Jahr regelmäßig Kuratoren dazu ein, die Verantwortung für drei aufeinanderfolgende Ausstellungen im Kellerraum zu übernehmen, während das Programm der Galerie im Parterre weiterläuft. Der Kurator Peter Lang nutzte den Dreisprung für Video- und Diaprojektionen. Mark Giannori besann sich auf den Keller als Handlungsraum und ermöglichte zuletzt dem Künstler Pfelder, als Kurator zu fungieren, und einen Teil der Werkstatt des Elektronikbastlers Ulf Seifert als work in progress aus Dresden zu transferieren. Es wirkte wie das Miniatur-Atelier von Jean Tinguely und eröffnete einen komplexen Verweisungszusammenhang. Denn in der Hobbywerkstatt war nicht Kunst gemeint, sondern reines Vergnügen. Die Blumen- und Architekturfotos von Thomas Florschütz, die im Hauptraum parallel zu sehen waren, gerieten in dieser Nachbarschaft in den Verdacht, sie seien mit den integralen Verwertungen einer Künstlerkarriere unvereinbar. Pfelders Versetzung deutete auf das Heer der Bastler der Welt, die in der Produktion die Kriterien der Kunsttheorien durchaus erfüllen, aber kein Interesse daran haben, den Kunstbetrieb zu beliefern, weil ihnen Kreativität ohne Verwertungsabsichten alles ist. Stattdessen ist ihr Nischendasein in puncto Bastelei eine Option der Guerrilla, wie der inneren Emigration. Daran schließt die Kuratorin Anne Maier an und eröffnet heute ihre erste Schau mit Michael Sailsdorfer aus München, der den Blick auf Öffentliches in privates Interieur verkehrt, parallel zu Martjin Sandberg im Hauptraum. Sanfte Übertreibungen illustrieren den Verfall des öffentlichen Lebens, den der Soziologe Richard Sennett vor zwei Dekaden analysierte. Auch Sailsdorfer lobt den Bastler, wenn er aus Wohnmobilen ein Haus montiert, Bewegungen in die Weite auf der Stelle treten und wie im Bannkreis kreiseln lässt. Der Bastler ist die Gegenfigur zum Flaneur und Passanten und wieder des Nachdenkens wert.

ph

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