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Ausstellung "Beckmann und Berlin": Mythos und Metropole

Die Berlinische Galerie beleuchtet das schwierige Verhältnis des Malers Max Beckmann zu Berlin.

Liebermanns Liebling – Max Beckmann war es für kurze Zeit. Dass sich die beiden Maler geschmacklich überhaupt verstanden, mag im ersten Moment überraschen: Max Liebermann, der späte Impressionist, kurzzeitige Aufbegehrer und schließliche Vorsteher einer konservativ preußischen Akademie. Und jener 1884 in Leipzig geborene Beckmann, der seinen expressiven Stil immer weiter kultiviert und mit der Prägnanz der Neuen Sachlichkeit verbindet, bis die Figuren auf der Leinwand irgendwann überpräsent sind.

So wie Quappi, Beckmanns zweite Ehefrau, die er 1936 mit einem Papagei auf dem Arm malt. Liebermann war da schon ein Jahr lang tot und Professor Beckmann von den Nationalsozialisten aus der Frankfurter Städelschule vertrieben. Die kurze Geschichte ihrer ästhetischen Liaison spielte um 1905, als Beckmann nach dem Studium sein erstes Atelier in Berlin bezog und mit den „Jungen Männern am Meer“ ein spektakuläres Großformat auf der Künstlerbund-Ausstellung in Weimar präsentierte. Eine Strandszene als Referenz an den Jugendstil wie den Impressionismus – und ganz nach Liebermanns Geschmack.

Es ist die erste große Beckmann-Schau seit 30 Jahren

Dafür gab es den Villa-Romana-Preis mit einem Aufenthalt in Florenz. 1907 folgte Beckmanns Aufnahme in die Berliner Secession, jener progressiven malerischen Bewegung, der Liebermann damals vorstand. Bis er sich wieder rückwärts orientierte und sich der Weg der beiden originären Maler trennte.

Die badenden Knaben hängen nun in der Berlinischen Galerie, zwischen Gemälden von Lovis Corinth, Edvard Munch und Ernst Ludwig Kirchner. Mit Beckmann, wie man ihn aus Museen überall in der Welt kennt, haben die akademisch gemalten Akte wenig zu tun. Dafür klären sie die Anfänge seiner Malerei, fragen nach der Beziehung von „Beckmann und Berlin“ und vollziehen nach, wie der Künstler sich einen singulären Stil erarbeitete. Eine Ausstellung, die sich die Berlinische Galerie zu ihrem 40. Geburtstag schenkt – und ebenso der Stadt, die erstmals nach drei Jahrzehnten wieder eine große Beckmann-Schau feiern kann.

Eine, die nicht bloß Bekanntes aneinanderreiht. Lieber erzählt sie anhand von 50 Werken aus dem eigenen Bestand und dazu zahlreichen Leihgaben vom Strandbild bis zu Quappis Porträt von 1936 Zeitgeschichte am individuellen Lebenslauf. Beide Bilder sind in Berlin entstanden, dazwischen spannt sich – mit langer Station in Frankfurt – die Karriere eines Künstlers, der stets gleichzeitig gefeiert und abgelehnt wurde. Für die „Jungen Männer am Meer“ etwa begeistern sich neben Liebermann auch Museumsdirektor Harry Graf Kessler und Galerist Paul Cassirer, der den Maler sogleich in seine Galerie im Bezirk Tiergarten aufnimmt.

Parallel dazu muss Beckmann allerdings feststellen, dass ihn die Expressionisten als Avantgarde überholen. Was er nicht versteht: Er lotet tief, verknüpft in seiner Kunst das Mythologische mit dem „wilden, grausamen, prachtvollen Leben“ der Metropole wie auf dem Katastrophenbild „Sintflut“ von 1908. Im Gegensatz dazu füllen die Brücke-Künstler seiner Ansicht nach flächige Kompositionen, reine Ansichten der Gegenwart, mit Farbe. An solchen Kontroversen, die Beckmann auch öffentlich austrug, wird die Bedeutung Berlins für seine Entwicklung klar.

Die Stadt als Ort der Moderne, der revolutionären Ahnungen

Zuvor war er viel gereist, von Paris in die Niederlande zu Rembrandt oder Vermeer. Doch erst in der direkten Konfrontation und scharfen Konkurrenz artikuliert sich die eigene Position. Ein Versuch, zwischen den treibenden Kräften, dem Progressiven und der Reaktion, eine unabdingbare Sprache zu finden. An dieser Genese ist auch die Ausstellung interessiert. Ein guter Entschluss, denn für eine Retrospektive fehlen zentrale Werke wie Beckmanns Triptychen „Abfahrt“ oder „Karneval“ von 1942. Statt Lücken beleuchtet die Schau lieber einen Ausschnitt genau – einen elementaren, in dem Beckmann zu seinem Vokabular kam. Es entwickelt sich durch die Räume der Schau, wird in den Bildern sichtbar und zeigt, dass die konkreten Spuren der Stadt – Beckmanns Atelier in Schöneberg, der Alte Botanische Garten an der Stelle des heutigen Kleistparks oder später das Haus in Hermsdorf – bloß Nebenschauplätze sind. Der Maler interessiert sich nicht für das Nahe, sondern allein für dessen Atmosphäre. Dafür steht sein „Blick auf den Nollendorfplatz“ von 1911 direkt neben demselben Motiv von Kirchner. Ihr Arrangement macht klar, dass beide aus einer Perspektive völlig Konträres schaffen: Beckmann aus der analytischen Anschauung, Kirchner aus der Intuition.

Die Körper werden flächig, ihre Konturen fest und schwarz

Zur künstlerischen Genese gesellt sich die Zeitgeschichte. Bekannt ist Beckmanns freiwilliger Einsatz als Sanitätssoldat an der Front. „Meine Kunst kriegt hier zu fressen“, glaubt er zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Doch schon 1915 hält er das Grauen nicht mehr aus, bricht zusammen und klopft bei Freunden in Frankfurt am Main an. Aus der Distanz entwickelt sich eine neue Beziehung zur Hauptstadt. Der Maler genießt die Reisen in die Metropole, bildet sich 1919 an einer Bar mit Sektglas ab und manifestiert seinen Stil. Im Wortsinn: Die Körper werden flächig, ihre Konturen fest und schwarz ummantelt. In diese Phase fallen auch zwei grafische Zyklen aus der Ausstellung, von denen das Haus die „Berliner Reise“ von 1922 erst jüngst erworben hat. Wieder offenbart sich Beckmanns Talent, die Stadt als Ort der Moderne, der revolutionären Ahnungen und Nachwehen der Kriegszeit zu lesen, als Tableau, hinter dem sich wie eine zweite Schicht das „Magische“ zeigt, das für ihn „das eigentliche Mysterium des Daseins bildet“.

Aus der Ferne gelingt es dem Künstler auch, sich endlich zu etablieren. Zur Lehre an der Frankfurter Akademie gesellen sich Ankäufe wie der Erwerb von „Fastnacht Paris“ (1930) durch die Nationalgalerie. 1933 richtet man ihm Unter den Linden im Kronprinzenpalais, das der Institution als Galerie für zeitgenössische Kunst diente, sogar einen eigenen Raum ein. Zur selben Zeit wurde aber auch Adolf Hitler Reichskanzler – und ließ nach einer ersten „Säuberung“ 1937 über 400 Werke aus dem Palais nach München bringen, um sie als „Entartete Kunst“ zu verleumden. Beckmann hatte er schon vier Jahre zuvor aus der Städelschule entlassen. Der zog zurück nach Berlin, in der irrigen Hoffnung, in der unübersichtlichen Metropole nicht aufzufallen. Hier gesellte sich zur wachsenden Isolation die Schizophrenie einer Gesellschaft, in der man wie das Ehepaar von Schnitzler Beckmanns „Leiermann“ (1937) ankaufte und ins Privathaus hängte. Zugleich sympathisierte es mit dem neuen Regime und zog einen Vorhang über das Gemälde, wenn NS-Prominenz zu Besuch kam. Kein Wunder, dass der Maler noch 1937 nach Amsterdam emigrierte, bis ihn die Nationalsozialisten als Besatzer auch dort einholten und für Jahre ins Abseits zwangen. Zwei Jahre nach Kriegsende verließ Beckmann mit Quappi Deutschland endgültig. Seine eigenwillige Liebe zu Berlin war längst erkaltet.

„Max Beckmann und Berlin“, Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, bis 15. Februar, Mi–Mo 10–18 Uhr

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