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© Art Center Berlin

Ausstellung: Berliner Galerie zeigt Kunst aus Nordkorea

Zum ersten Mal sind in Europa Bilder aus Nordkorea zu sehen: hervorragend ausgeführte Landschaftsmalereien und traditionelle Tuschezeichnungen. Aber auch Propagandaplakate und großformatige Kriegsbilder.

Der nordkoreanische Botschafter weinte. Und das so kurz vor Ausstellungseröffnung. „Er ist doch unser Gott!“, stammelte Hong Chang II. Und wiederholte die dringliche Bitte, am Eingang die Fotos von Diktator Kim Jong Il und seinem toten Vater Kim Il Sung anzubringen. Das Management des Art Center Berlin ließ sich – um das Ansehen Hongs in der Heimat besorgt – erweichen. Und so fand wohl erstmals in Berlin eine Vernissage unter den strengen Blicken des „Lieben Führers“ (Jong) und des als gottgleich verehrten „Großen Führers“ (Sung) statt.

Ohnehin ist die kürzlich in der Friedrichstraße gestartete Schau eine äußerst ungewöhnliche, vor allem aber problematische Veranstaltung. Zum ersten Mal sind in Europa Bilder aus Nordkorea zu sehen: hervorragend ausgeführte Landschaftsmalereien und traditionelle Tuschezeichnungen. Jedoch auch Propagandaplakate und großformatige Kriegsbilder. Alle Werke wurden vom Nordkoreanischen Kulturministerium ausgewählt. Die Kriterien waren, so Botschafter Hong: „Ausdrucksstärke, Schönheit, Eleganz.“ Und natürlich absolute Konformität mit dem Sklavenhalterstaat. „Kunst ist die Partei“, lautet einer seiner Leitsätze.

Während Nordkorea also gerade den 60. Jahrestag seiner Gründung mit Massenspektakeln begeht und alle Welt über den Gesundheitszustand des abwesenden Kim Jong Il rätselt, bietet die Schau einen kleinen, aber aufschlussreichen Einblick in das verschlossenste Land der Welt. Sie zeigt keinesfalls die Realität Nordkoreas, aber doch die Realität eines paranoiden Regimes. Schon ihr Zustandekommen spricht Bände. Zwei Jahre lang warb der in Berlin ansässige Internationale Delphische Rat (IDC) um die Freigabe der Werke. Der IDC ist ein rühriger, um weltweite Verständigung bemühter Verein, der die Delphischen Spiele ausrichtet, ein Künstlerwettstreit und schöngeistiges Pendant zur Olympiade. Nachdem IDC-Gründer Christian Kirsch Pjöngjang für seine Idee gewonnen hatte, begannen die Probleme aber erst. Die Nordkoreaner zeigten sich völlig unerfahren was internationale Ausstellungen angeht. Zwar sahen sie ein, dass man keine anti-amerikanischen Propagandaschinken zeigen könne. Schwieriger aber war es, ihnen die IDC-Forderung beizubringen, alle Botschafter zur Vernissage einzuladen, also auch den des Erzfeinds. Zur Eröffnung wurde dann tatsächlich ein Vertreter der US-Embassy gesichtet.

Die mit „Art from Pyongyang“ überschriebene Schau versammelt nun Werke hoch dekorierter Meister, die außerhalb Koreas so gut wie unbekannt sind. Alle haben ein strenges Fördersystem durchlaufen. Von größter Bedeutung ist dabei, bei welchem Meister man lernt. So ist das teuerste Bild in Berlin eine eher unauffällige, hingeworfene Tuschemalerei von Blättern und Blüten im sogenannten Molgol-Stil. 28 000 Euro soll es kosten, es stammt vom Schüler eines Schülers von Meister I-dong Kim Eun Ho, dem letzten höfischen Maler Koreas. Auf den Hinweisschildern zu einigen Bildern fällt der Zusatz „People’s Artist“ auf, also Volkskünstler. Es handelt sich um die höchste Auszeichnung, die das Regime zu vergeben hat.

150 Bilder hat Pjöngjang nach Berlin geschickt – viel mehr als erwartet. Noch Tage nach der Vernissage steht Kurator Sang Kyun Choi inmitten von Leinwänden, Seidentüchern und Reispapier. Auf einigen der Werke glänzt die Ölfarbe noch, sie wurden extra für die Verkaufsschau angefertigt. Doch Choi weiß ihre Namen und Preise nicht. „Ich kommuniziere per Fax mit Nordkorea“, stöhnt er. Das Internet ist dort verboten, und eine direkte Telefonverbindung gebe es nicht. Choi ist Südkoreaner und lebt in New York, aber er engagiert sich für die Wiedervereinigung seiner Heimat. Kein böses Wort über die stalinistischen Machthaber kommt über seine Lippen, zur Vernissage hat er ein Revolutionslied gesungen. Das Wappen Nordkoreas, erklärt er, zeige übrigens neben Hammer und Sichel auch einen Pinsel: „Staatsgründer Kim Il Sung schätzte die Kunstarbeiter.“

Das vorherrschende Motiv der Ausstellung sind: Landschaften. Besonders beeindrucken die großen Tuschemalereien auf Pflanzenfarbbasis der mythischen Berge Kumgang und Baekdu. Auch einige dramatische Schwarzweißbilder von Wolken im Gebirge lassen kurz das Politikum vergessen, das Kunst aus einem Land unweigerlich darstellt, in dem 200 000 Menschen in Konzentrationslagern wie Tiere gehalten werden. In anderen Werken wird es zumindest erahnbar.

Es gibt Originalgrafiken von Propagandaplakaten, die jeder, der schon einmal in Nordkorea war, tausendfach gesehen hat. Vor dem Hintergrund einer Friedenstaube jubeln Kinder, davor ragt eine Kalaschnikow ins Bild. „Frieden durch Kampf“, lautet die Unterschrift. Sie spiegelt die „Militär-Zuerst“-Doktrin von Kim Jong Il wider. Zwei Millionen Soldaten stehen unter Waffen, während das Volk mangelernährt ist. Woanders sind realistische Szenen aus dem Koreakrieg zu sehen: Heroische Nordkoreaner wehren sich gegen die US-Invasoren: „Blut für Blut!“ Dies ist Kunst ohne Zwischentöne, die Entwicklung der Bildsprache scheint in Nordkorea jahrzehntelang stillgestanden zu haben. Eine bunte Dorfansicht erinnert an die Propaganda der chinesischen Kulturrevolution. Spruchbänder säumen den Dorfplatz: „Reis ist Kommunismus!“, „Unser großer Lehrer Kim Il Sung ist ewig bei uns!“ Der Schluss drängt sich auf, dass Nordkorea einer Sekte mit quasireligiösem Führerkult gleicht. Sogar die Vögel verneigen sich vor dem Großen Führer.

Ohne Frage: Es befinden sich wahre Schnäppchen in dieser Ausstellung: Sozialistischer Realismus, riesengroß, läppische 1200 Euro. Die Bilder könnten eines Tages Spitzenpreise erzielen, der Kunstmarkt kennt keine Moral. Das Geld aber, darüber sollte Klarheit herrschen, fließt in die Kassen des kranken Regimes. Übrigens gehört zum Besuch der Ausstellung unbedingt ein Abstecher zur nordkoreanischen Botschaft in der Berliner Glinkastraße. Dort sind in einer Glasvitrine alte Fotos ausgestellt. Darauf: Kim Il Sung, der Fabriken besucht. An der Vitrine vorbei sieht man durch einen Zaun, wie einige Botschaftsangehörige rauchend auf dem Hof stehen. Sie wohnen auf dem Gelände, das sie nie verlassen dürfen.

Friedrichstr. 134, bis 30.9., tgl. 11-21 Uhr

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