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Jan Breughel d.J., "Paradieslandschaft mit der Erschaffung der Tiere". Das Bild kam 1741 nach Dresden.

© Gemäldegalerie Alte Meister/SKD

Ausstellung "Das Paradies auf Erden": Alle Bäume, alle Tiere

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeigen in der Kunsthalle im Lipsiusbau "Flämische Landschaften von Bruegel bis Rubens".

So groß wie ein DIN A5-Blatt sind die Gouachen, die der Flame Hans Bol ab 1580 größtenteils mit biblischen wie antiken Historien auf Pergament gemalt hat. 1587 wurden 16 solcher Kleinformate von Bol für die Kunstkammer erworben, die der sächsische Kurfürst August 1560 in Dresden begründet hatte. Was die Täfelchen so besonders macht, spielt sich im Hintergrund ab: Es ist die Landschaft. Bol (1534-1593) entstammt einer der damals höchstentwickelten Gegenden Europas. So sind die Landschaften, die Bol in feinsten Strichen malt, denn auch keine unberührte Natur, sondern Zeugnis ihrer Kultivierung durch den Menschen.

1587 ist der Höhepunkt der Renaissance längst überschritten; ihre Errungenschaften, ihre Sichtweisen sind Gemeingut geworden. Das Staunen angesichts der Landschaft jenseits beschützender Mauern ist der sicheren Beherrschung der Natur gewichen. Jedenfalls in Flandern, wo die Landschaftsmalerei in Blüte steht, wiewohl sie auch dort traumatische, die Konflikte einer unruhigen Gegenwart spiegelnde Züge annehmen kann.

Aus der Kunstkammer und den weiteren kurfürstlichen „Kammern“ wie der nach ihrem Standort als „Grünes Gewölbe“ bezeichneten Schatzkammer gingen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) hervor, die in ihrem Ausstellungshaus auf der Brühlschen Terrasse, dem Lipsiusbau, die Ausstellung „Flämische Landschaften von Bruegel bis Rubens“ unter dem Obertitel „Das Paradies auf Erden“ ausrichten. Die Ausstellung ist überwiegend aus eigenem Bestand zusammengestellt; sie gibt – wie ihr Direktor Stephan Koja im wunderschönen Katalog mitteilt – „Gelegenheit, Gemälden zu begegnen, die aufgrund des Platzmangels der Gemäldegalerie Alte Meister seit Jahrzehnten, teilweise sogar seit Jahrhunderten nicht mehr zu sehen waren“.

Musikwettstreit vor "Weltlandschaft"

Was Kuratorin Uta Neidhardt unter Mitarbeit von Konstanze Krüger aus dem Bestand von rund 380 flämischen Gemälden ausgewählt hat, lässt denn auch wünschen, diese Auswahl auf Dauer besichtigen zu können. Im Lipsiusbau ist die Auswahl durch Leihgaben abgerundet worden, denn Fehlstellen gibt es in einer aus fürstlichem Eifer erwachsenen Sammlung immer wieder. Oft sind in früheren Zeiten Kunstwerke falsch zugeschrieben worden. So ist die grandiose „Landschaft mit dem Urteil des Midas“, ein Gemeinschaftswerk des Landschafters Gillis van Coninxloo und des Figurenmalers Karel van Mander, in Dresden 1707 als ein Werk „von Breugell, Figuren von Golzio“ verzeichnet. Die im Bildvordergrund geschilderte Szene des Musikwettstreits zwischen Apoll und Pan – in Ovids „Metamorphosen“ zu finden – ließe sich ohne weiteres wegdenken, so dass eine von erhöhtem Standpunkt aus sich entfaltende „Weltlandschaft“ übrig bliebe, eine Gesamtdarstellung des Irdischen mit Gewässern, Bergen, Wäldern, Tieren und menschlichen Behausungen und Tätigkeiten.

Solche Weltlandschaften zeigt die Ausstellung mehrere; ihnen gegenüber stehen die eher als „Genremalerei“ zu bezeichnenden Kompositionen, insbesondere derjenigen winterlicher Begebenheiten, unter denen Lucas van Valckenborchs „Winterlandschaft bei Antwerpen“ von 1575 heraussticht. Da ist alles versammelt, was den Winter schön und schrecklich machen konnte, vom Hockeyspiel auf dem Eis bis zum Brand einer Scheune, zu dem Löschwasser aus einem eilig aufgehackten Loch herangeschleppt werden muss.

Lucas van Valckenborch, "Winterlandschaft bei Antwerpen mit Schneefall", 1575, Öl auf Eichenholz.
Lucas van Valckenborch, "Winterlandschaft bei Antwerpen mit Schneefall", 1575, Öl auf Eichenholz.

© Städel Museum, Frankfurt am Main/ U. Edelmann

Vom Brand einer Scheune zum Weltenbrand ist es nur ein Schritt. Jan Brueghel d. Ä. ist mit einer „Versuchung des heiligen Antonius“ von 1604 vertreten, einem seit Hieronymus Bosch häufigen Thema, das der Fantasie wahrlich freien Raum ließ. In der gemeinsam mit Hans Rottenhammer gemalten Szene „Juno in der Unterwelt“ brennt es im Hintergrund lichterloh, bevölkern fratzenhafte Schreckenswesen die Szenerie.

Die Arche im Zentrum

Zuallererst zieht den eintretenden Besucher im Lipsiusbau jedoch das Gemälde „Vor der Sintflut“ an, das der für seine Tierdarstellungen berühmte Roelant Savery 1620 geschaffen hat, eines der größeren Formate der Ausstellung. Savery (um 1576-1639) benötigte den Platz, um all die Tiere vorzuführen, von denen er Kenntnis besaß, war ihm doch als Hofmaler Kaiser Rudolfs II. Zutritt zu dessen Menagerien in Prag gestattet. Nur der in Zoologie Bewanderte vermag die seinerzeit gerade erst entdeckten Arten, wie den aus Neuguinea stammenden Laufvogel namens Helmkasuar, zu benennen. Savery hatte ursprünglich den Paradiesgarten gemalt, ehe er die mächtige Arche in die Bildmitte setzte, wo sie heute als das gar nicht wegzudenkende Zentrum der Komposition aufragt.

Roelant Savery, "Vor der Sintflut", 1620, Öl auf Eichenholz.
Roelant Savery, "Vor der Sintflut", 1620, Öl auf Eichenholz.

© Gemäldegalerie Alte Meister- SKD/Elke Estel/Hans-Peter Klut

Wer Handel treibt und zur See fährt, benötigt Landkarten und Globen, und es ist ein wunderbarer Einfall der Gestalter, in die Mitte des in zwei kühlen Graublautönen gehaltenen Inneren des Lipsiusbaus einen Kubus zu stellen, in dem in gedämpftem Licht der zeitgenössische, kurz vor 1650 geschaffene Erdglobus von Willem Blaeu und seinem Sohn Joan Blaeu den Mittelpunkt bildet.

Die damals gerade erst gemachten Entdeckungen der nordjapanischen Insel Hokkaido und der angrenzenden Kurilen ließ Joan Blaeu nachstechen und als Aktualisierung auf den Globus kleben. Er wird heute im Mathematisch-Physikalischen Salon bewahrt und zeigt quasi nebenbei, wie universell die Dresdner Kunstsammlungen angelegt sind – und wie großartig ihre Bestände.

Das Paradies auf Erden
Flämische Landschaften von Bruegel bis Rubens, noch bis 15. Januar 2017, Kunsthalle im Lipsiusbau, Brühlsche Terasse, 01067 Dresden, täglich 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen, Eintritt: acht Euro, ermäßigt sechs Euro, Katalog (368 Seiten): 28 Euro Museum / 39,80 Euro Handel

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