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Für die Serie "Ladies of Rio" blickte Lamia Maria Abillama in die abgründige Welt der brasilianischen Oberschicht.

© Lamia Maria Abillama

Ausstellung "Fette Beute. Reichtum zeigen": Die Kunst des Reichtums

Das soziale Elend ist mannigfaltig dokumentiert, dem anderen Ende der Gesellschaft gelingt es dagegen, sich erfolgreich abzuschotten. Jetzt zeigt das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe mit der Schau „Fette Beute“ die Kunst, Reiche zu fotografieren.

Schön ist anders: Der speckige Bauch wölbt sich unter dem viel zu engen rosafarbenen Satinkleid vor. Und dann prangt neben dem Nabel auch noch ein riesiger Fleck. In ihrer Linken hält die üppige Dame, deren Kopf der Fotograf einfach abgeschnitten hat, ein Sektglas aus Plastik; um ihr Handgelenk baumelt ein Täschchen mit Kunstblumen darauf. Martin Parr hat einen Blick für irre Details. „Ascot, England“ lautet der lakonische Titel seines biestigen Porträts. Vier Jahre lang, zwischen 2003 und 2007, bereiste der englische Fotograf Pferderennen, Millionärsmessen, Autosalons, um die Welt der Reichen zu studieren. Herausgekommen ist dabei ein Sittenbild, das diese Spezies nicht gerade von ihrer vorteilhaften Seite zeigt und doch bei aller Entlarvung eine gewisse Zuneigung zum Objekt verrät. Dem besonderen Charme der Upperclass konnte sich auch ein alter Fotofuchs wie Martin Parr kaum entziehen.

Die da oben zu porträtieren, fällt nicht leicht, das zeigt die Ausstellung „Fette Beute. Reichtum zeigen“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe in allen Facetten. Zumindest schwerer als die Armen-Fotografie, die eine große Tradition besitzt. Das Verhältnis zwischen den Parteien ist hier sehr viel ambivalenter. Soziales Engagement gepaart mit Neugier am Pittoresken führte die Fotografen schon früh in die Slums und Straßen der Bronx, wo sich selten jemand gegen die Kamera wehrte. Die Reichen besitzen ganz andere Mittel, sich abzuschotten, den Zugang in ihre Bezirke zu erschweren. Davon handelt auch die Serie des Schweizers Giacomo Bianchetti, der die geschlossenen Türen und Hofeinfahrten von Großkonzernen zum Thema machte und die unerfreulichen Dialoge mit dem Wachpersonal gleich danebenstellte.

Hier zählt der Status, nicht die Persönlichkeit

Die feine Linie gilt es zu respektieren, im Zweifelsfall besteht sie aus einem stählernen Zaun. Bildreporter befinden sich nur in Ausnahmefällen auf Augenhöhe mit dieser abgeschotteten Klientel. Vielfach kommen die Aufnahmen zunächst als beiläufige Berichte aus dem inneren Zirkel zustande, erst nach und nach erwacht professionelles Interesse. So mancher Fotograf entstammt derselben Klasse wie etwa der Hamburger Kaufmannssohn Bill Brandt, der in den 30ern nach England emigrierte und dort das Society-Leben seiner betuchten Verwandtschaft dokumentierte: abendliche Gesellschaften vor dem Kamin, Zylinderträger beim Cricketspiel. Lamia Maria Abillama wiederum gelangte durch Vermittlung ihrer Großmutter in die Salons der brasilianischen Oberschicht und begegnete den „Ladies of Rio“.

Das Selbstporträt in Zeiten der Krise. Die "Rich Kids of Instagram" zeigen gern, was sie haben.
Das Selbstporträt in Zeiten der Krise. Die "Rich Kids of Instagram" zeigen gern, was sie haben.

© groverlight

Fern der Welt leben sie in der Vergangenheit, mit teuren Möbel, Kunst, Personal, Facelifting als Insignien. Hier zählt der Status, weniger die Persönlichkeit. Auf die Spitze treiben es die „Rich kids of Instagram“, die in ihren Blogs den typischen Blödsinn von Pubertierenden posten, nur dass es sich hier um Selfies vor Jachten und Helikoptern handelt, Champagnerrechnungen und fette Uhren.

Ausstellung rückt die Insignien des Reichtums in ein neues Licht

So verwundert es nicht, dass im Vergleich zum bekannten Genre der Sozialfotografie diese Gattung bislang keine wissenschaftliche Aufarbeitung erfahren hat, ja nicht einmal Thema einer eigenen Ausstellung war. „Fette Beute. Reichtum zeigen“ lautet der Titel der ungewöhnlichen Schau, mit der das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe auf diesem Gebiet Pionierarbeit leistet.

Warum ausgerechnet dort? Für Direktorin Sabine Schulze liegt es auf der Hand: Edle Geschirre, Schmuck, Tapisserien, kostbares Mobiliar, die bis heute als Ausweis von Wohlstand, als Zeichen der Distinktion dienen, gibt es in ihrem Museum zuhauf. Die grandiose Ausstellung rückt diese Requisiten anders ins Licht und versucht einen soziologischen Ansatz: beginnend mit Edward Steichens Aufnahmen vom Pferderennen in Longchamp zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wo ihn vor allem die Krinolinen der Damen faszinieren, bis hin zu Christian Jankowskis klugem Spiel mit Prestigeobjekten. Der Berliner Künstler bot auf der „Frieze“ vor drei Jahren zwei Speedboote an. Gegen einen Aufpreis von zehn Millionen Euro hätten sie eine metallene Signatur von ihm erhalten und wären damit zum Kunstwerk erhoben worden. Mit Fotografie hat Letzteres allerdings nicht mehr viel zu tun.

Die Inszenierung des Reichtums.

Herr und Diener. Paolo Woods porträtierte chinesische Geschäftsleute, die sich in Nigeria wie Kolonialherren gebärden.
Herr und Diener. Paolo Woods porträtierte chinesische Geschäftsleute, die sich in Nigeria wie Kolonialherren gebärden.

© Paolo Woods/INSTITUTE

Das Leben des Geldadels ist in den Medien seit jeher Thema, die Yellow Press lebt von Happy Few, die sich allerdings zunehmend schwerer einfangen lassen. Stattdessen sind die Nouveau riches nachgerückt. Sie haben es bis ins Vorabendfernsehen geschafft wie „Die Geissens“, deren Protagonisten einerseits die Neugierde befriedigen, andererseits durch ihre groteske Selbstdarstellung dem Zuschauer Gelegenheit bieten, sich über sie zu erheben. „Fette Beute“ will mehr: Die 150 Werke von 20 Fotografen sind der Versuch einer Bestandsaufnahme dieser Gattung, die es sehr viel länger gibt, als die berühmte Sozialfotografin Dorothea Lange noch 1964 glaubte: „Niemand hat, soweit ich weiß, das soziale Phänomen des Reichtums fotografiert.“

Spätestens seit den 80ern ist die Inszenierung von Reichtum reizvoll auch für die künstlerische Fotografie. Geradezu genial hat der immer schon zwischen Kunst und Werbung oszillierende Fotograf Juergen Teller seine Gratwanderung zum Sujet gemacht. Für die Schmuckauktion des Londoner Versteigerungshauses Phillips de Pury & Company sollte er Colliers, Broschen, Armbänder in Millionenwerten fotografieren. Teller ließ daheim in Franken, im kleinbürgerlichen Milieu, seinen Vater, Neffen, kleinen Sohn im Strampler mit den Schätzen posieren. Ein abenteuerlicher Kontrast, der sowohl zum Lachen reizt als auch geschickt eine soziale Spannung inszeniert.

Die Rituale der Reichen

Damit holt Teller ins Bild, was ansonsten auf der Ebene des Betrachters passiert: der Vergleich, die Relativierung durch die Niederungen des eigenen Alltags. Kritisches Potenzial wohnt den Fotografien nur in Ausnahmen inne. Die meisten wollen glänzen wie die Abgebildeten bei Hollywood-Fotograf Slim Aarons oder in schönen Räumen schwelgen wie der Architekturspezialist Julius Shulman. Eine Ausnahme bildet Paolo Woods, der im Kongo und Nigeria chinesische Unternehmer besuchte. Sie inszenieren sich mit kolonialem Gestus, ihre schwarzen Hausangestellten tragen fernöstlich inspirierte Uniformen. Die Globalisierung hat zwar Bewegung auf dem Weltmarkt bewirkt, die Rituale der Reichen aber kaum verändert.

Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, bis 11. 1.; Katalog (Kerber) 24,90 €.

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