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Kultur: Ausstellung "Housefuckingiskillingprostitution"

Als die polnische Künstlerin Zuzanna Janin bei der Ost-West-Ausstellung "Riss im Raum" 1994 im Martin Gropius Bau ausstellte, konstatierte deren Ko-Kurator Matthias Flügge, dass die künstlerische Entwicklung in den Oststaaten längs der DDR-Grenze "von einem facettenreichen Widerspruch zwischen offizieller Doktrin und verantwortlichem individuellem Handeln geprägt" war. Der Riss ging mit allen Verbiegungen durch den Diskurs.

Als die polnische Künstlerin Zuzanna Janin bei der Ost-West-Ausstellung "Riss im Raum" 1994 im Martin Gropius Bau ausstellte, konstatierte deren Ko-Kurator Matthias Flügge, dass die künstlerische Entwicklung in den Oststaaten längs der DDR-Grenze "von einem facettenreichen Widerspruch zwischen offizieller Doktrin und verantwortlichem individuellem Handeln geprägt" war. Der Riss ging mit allen Verbiegungen durch den Diskurs.

Mit traumwandlerischer Sicherheit baute Zuzanna Janin für den Nachhall dieses Zustands in den neunziger Jahren große kubische Gehäuse aus Seidenstoff und Schleifpapier und ließ die Innenräume vage und warm durchscheinen. Die ambivalenten Eigenschaften der leichten Seide - robuste Dauerhaftigkeit und zarte Flüchtigkeit - kontrastierte mit groben, schweren Bahnen. Stets gab es ein Innen und ein Außen von scheinbarer Transparenz auf abgegrenztem Terrain. Deshalb konnten die mit lyrischem Gespür inszenierten Gehäuse als Metaphern einer durch und durch kontradiktorischen Ordnung gelesen werden. Verglichen damit klingt der Titel "Housefuckingiskillingprostitution" wie ein Schreckschuß. Dabei ist unentscheidbar, ob die Aussage für Prostitution oder das Glück daheim Partei ergreift. Dass beides sich ergänzen könnte, schließt überdies eine Denkfigur aus, die in Widersprüchen verstrickt auf der Stelle tritt. Gegen Fakten ist ihre Anwendung immun. Doch gerade durch diese Bornierung gewinnt Janins Werk im Sinne Flügges Diagnose historisch repräsentativen Charakter. Denn sie setzt das virtuose Spiel der Dialektik im Stillstand auf ihre Art überzeugend in Szene. Die kulturelle Norm durch Impertinenz zu unterlaufen liegt ihr fern. Deshalb hat man es mit einem Werk zu tun, das in Voraussetzungen vor dem Mauerfall verhakt ist und sich für die neuen Gegebenheiten verwandelt hat.

Diese ideologischen Voraussetzungen drängen sich nicht auf, doch bilden sie den dunklen Ton des Werks, dessen sinnliche Erscheinung stark und dessen Logik der Durchführung konsequent bleibt. Hinter einem Schleier tanzt eine projezierte Frau. Davor stehen Drahtgestelle auf einem Podest. Sie sind zu zwei großen und zwei kleinen Beinen geformt und wirken wie bandagierte Prothesen. Die Tänzerin wirft gespenstische Schatten in einen mit Aktzeichnungen gepflasterten Vorraum. Die Linien, die die Körper umreissen, sind mit hartem Stift gezogen und wirken fast brüchig. Es ist etwas Unheimliches im Raum. Lähmend Schweres liegt in der Luft. Der Titel klingt wie ein Brüllen - als spucke einer Worte aus, weil der Klang passt. Die Schau kostümiert ein Desaster. Und man ahnt, dass etwas nicht stimmen könnte mit der Kunst und dem Leben und überhaupt. Janin kommt ohne kulturkritische Statements aus. Sie steigert Persönliches und handelt als Stellvertreterin mit hoher visueller Überzeugungskraft. Darin lag schon immer ihre Stärke.Galerie A. von Scholz, Kleine Hamburger Straße 3; bis 27. Mai; Sonnabend 11-21 Uhr

ph

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