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Pyramide und Prominenz. Ausschnitt aus Rudolph Müllers Aquarell „Der protestantische Friedhof in Rom mit dem Grab von Julius August Walther von Goethe (1789-1830)“, entstanden etwa 1840.

© Klassik Stiftung Weimar Fotothek

Ausstellung im römischen Goethe-Haus: Schöner sterben

Verwunschenes Idyll: Die Casa di Goethe in Rom widmet dem Friedhof der protestantischen Ausländer eine exquisite Ausstellung.

Es möchte einen in den Tod verliebt machen, an einem so schönen Ort begraben zu werden. Das schrieb der englische Poet Percy Bysshe Shelley, als im Februar 1821 sein ebenso berühmter Dichterfreund John Keats im Alter von nur 25 Jahren auf dem römischen Friedhof der protestantischen Ausländer begraben wurde.

Ein tröstlicher Gedanke, gerade in diesen Tagen, da kalendarisch wieder allerlei Totengedenken bevorsteht. Was Shelley freilich nicht ahnen konnte: dass er ein Jahr später, noch keine dreißig Jahre alt, schon selber sterben und unweit von Keats sein steinernes Andenken finden würde. Shelley ertrank als Nichtschwimmer bei einer im Sturm endenden Segeltour vor der toskanischen Küste. Sein vier Tage später bereits leicht verwest angeschwemmter Leichnam wurde am 12. Juli 1822 am Strand von Viareggio verbrannt, der anwesende Freund Lord Byron fand das so schauerlich, dass er lieber hinaus ins Meer schwamm, während ein anderer Zeuge Shelleys Herz (vielleicht auch Leber) stückweise aus den Flammen barg und dafür sorgte, dass 1823 ein Teil der Asche, wenn nicht auch des Herzens, auf dem nämlichen Friedhof in Rom noch beigesetzt wurde.

Jener „Cimitero acattolico“, wie er in der katholischen Welthauptstadt heißt, ist eine der stillen, gleichwohl grandiosen, graziösen Sehenswürdigkeiten Roms. Er liegt bei der knapp 40 Meter hohen, gerade mit dem Geld eines japanischen Sponsors hell herausgeputzten Pyramide des darin nach pharaonischem Vorbild im Jahr zwölf vor Christus bestatteten Volkstribuns Gaius Cestius. Die Pyramide grenzt direkt an die antike Stadtmauer, ebenso wie der sie umgebende, im 18. Jahrhundert auf einer Brache angelegte Friedhof, dessen stumme Bewohner als Nichtkatholiken früher nicht in innerstädtischer Erde ruhen durften.

Begräbnisse von Katholiken waren nur bei Dunkelheit gestattet

Die Idylle an der Cestius-Pyramide gehört heute zum einstigen Arbeiterviertel Testaccio, das die dort aufgewachsene Schriftstellerin Elsa Morante in ihrem berühmten, auch verfilmten Roman „La Storia“ mit verewigt hat. 1716 fand Mister William Arthur aus Edinburgh hier laut erster namentlicher Überlieferung seine letzte Ruhe. Damals waren die Begräbnisse der Nichtkatholiken, meist Ausländer und oft auf der Grand Tour in Rom von der Malaria oder Cholera dahingerafft, nur bei Dunkelheit gestattet. Diese nächtlichen Rituale im Fackelschein müssen fast geheimbündlerisch gewirkt haben, was sich schön erkennen lässt auf drei bislang noch nie ausgestellten Radierungen, die jetzt mit über 40 weiteren Gemälden, Zeichnungen und Drucken in einer exquisiten Ausstellung der Casa di Goethe in der Via del Corso zu sehen sind. Eine der nächtlichen Szenen stammt von dem Schweizer Künstler Jacques Sablet, der auf einem anderen, frühromantischen Gemälde von 1791, „Römische Elegie“ benannt, zwei elegante Gentlemen porträtiert, die nahe der Pyramide an einem marmornen Grabmal trauern, dabei auf ihre offenbar reichlich genetzten Schnupftücher schauen.

Nicholas Stanley-Price – von dem britischen Historiker stammt ein vor zwei Jahren auf Englisch veröffentlichtes Standardwerk über den „Non-Catholic Cemetery“ – hat nun die Ausstellung „Am Fuß der Pyramide. 300 Jahre Friedhof für Ausländer in Rom“ für die Casa di Goethe kuratiert. Und natürlich ist in den Räumen, die Goethe von 1786 bis 1788 bei seiner „Italienischen Reise“ zusammen mit dem Malerfreund Tischbein in Rom bewohnte, auch „Die Cestius Pyramide im Mondschein“ als kleine Federzeichnung von des Meisters Hand zu bewundern.

Empfehlenswert ist auch ein Besuch im Shelley Memorial Haus

Goethe freilich scheute den Tod so sehr, dass er nicht einmal ans Sterbebett seiner Frau Christiane getreten ist. Dennoch hatte er sich in seiner siebten „Römischen Elegie“ den eigenen letzten Gang am Fuß der römischen Pyramide erträumt, allerdings mythologisch verbrämt und bitte erst „später“. Statt seiner ist Goethes an Trunksucht und Leberzirrhose bereits schwer erkrankter Sohn August zur letzten Reise nach Italien aufgebrochen und 1830 in Rom gestorben. Ohne Namen, nur mit der Grabinschrift „Goethe Filius“ liegt der damals 40-Jährige unweit von Shelley begraben.

Keinen Namen trägt auch John Keats Grab, dafür die vom sterbenden Dichter selbst gewählten Zeilen „here lies one whose name was writ in water“. Unbedingt empfehlenswert ist darum das nahe der Casa di Goethe direkt am Fuß der Spanischen Treppe gelegene Keats Shelley Memorial House (Piazza di Spagna 26). Hier hatte der tuberkulosekranke Keats im zweiten Stock seine letzten Monate verbracht, und im Sterbezimmer des Dichters und den Räumen davor ist ein stimmungsvolles kleines Museum eingerichtet worden, das unter anderem zahlreiche Originalhandschriften des Dichter-Triumvirats Keats, Shelley, Lord Byron zeigt.

Die schöne Ausstellung in der Casa di Goethe endet dagegen ganz undepressiv und farbenfroh expressiv mit einem Gemälde Edvard Munchs von 1927, das zwischen violetten Steinen und leuchtenden Zypressen dem Grab eines in Rom gestorbenen Onkels gilt. Munch hatte es aufgesucht, als er in Italien den jüngsten Erfolg seiner großen Retrospektive in der Berliner Nationalgalerie feiern wollte. Der Onkel, ein Historiker, war schon 1864 mit einer Grabrede von Henrik Ibsen bestattet worden, und der Maler schrieb 1927: „Der Protestantische Friedhof ist der schönste, den ich je gesehen habe.“

Dutzende Menschen aus aller Welt liegen dort inzwischen begraben

Das könnte bis heute gelten. Inzwischen liegen dort etwa 4000 Menschen aus der ganzen Welt begraben, unter ihnen der Theater- und Opernbaumeister Gottfried Semper, zwei Söhne Wilhelm von Humboldts, der Maler Hans von Marées – aber in der Moderne auch der Autor Carlo Emilio Gadda oder der legendäre Gründer der Kommunistischen Partei Italiens. Auf seinem immer mit Blumen geschmückten Urnengrab steht nur „Cinera Antonio Gramsci“, dazu hat Pier Paolo Pasolini sein berühmtes Gedicht „Die Asche Gramscis“ geschrieben. So viel Geschichte am Fuß der Pyramide.

„Am Fuße der Pyramide“, Casa di Goethe (Via del Corso 18) bis 13. November, der Katalog, auch deutsch, kostet 18 €.

Cimitero acattolico (Metro-Station Pyramide) täglich geöffnet, Keats-Shelley-Memorial-Haus (Piazza di Spagna 26) Mo-Sa (Infos: www.keats-shelley-house.org).

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