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Ganz stark. Wenn sich die Künstlerin Stephanie Ballantine im Video von einer Bodybuilderin hochheben lässt, geraten gängige Rollenklischees schnell ins Wanken.

© promo

Ausstellung in Berlin-Kreuzberg: Heute queer, morgen queer?

Eine Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst stellt die Frage, was genau eigentlich queer ist - und wie wandlungsfähig der Begriff ist.

Das Stöhnen ist schon von weitem zu hören. Das Keuchen einer Frau. Doch nein, kein Porno auf dem Bildschirm. Eine stämmige Blonde in pink-schwarzem Trikot stemmt eine junge Frau in Bikini in die Höhe. Fünfzig Mal. Die Arbeit der Künstlerin Stephanie Ballantine, die sich hier hochheben lässt, spielt humorvoll und überraschend mit gängigen Klischees. Wie so viele andere Beiträge in der Ausstellung „What is queer today is not queer tomorrow“ in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst (NGBK).

Für die hat ein zehnköpfiges Kuratorenteam eine facettenreiche, ausgeruhte Auswahl von Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt getroffen, mit Malerei, Zeichnung, Installation, Video und Performances, die über die ganze Laufzeit verteilt in den Räumen des Kreuzberger Kunstvereins stattfinden werden. Queer bedeutet hier mehr als nur die Beschreibung einer schwul-lesbisch-, trans- und intersexuellen Community, es geht ums Auflösen von Grenzen. So passt etwa auch die Weltkarte des Kolumbianers Daniel Santiago ins Programm. Er hat sie einfach umgedreht, Norden ist Süden und die Staaten sind namenlos. Denn alle Bezeichnungen sind überklebt. Ein etwas schlichter Akt ist das zwar, aber doch ganz wegweisend für diese Schau, die deutlich anzeigt, in welcher Phase der Aufklärung wir gerade stecken. Es geht immer noch um Sensibilisierung für einen behutsameren und bewussteren Umgang mit Begrifflichkeiten und Kategorisierungen.

Alles entzieht sich der vermeintlichen Ordnung

Und so wankt auch, im übertragenen Sinn, der Boden in dieser Ausstellung des Kreuzberger Kunstvereins, alles entzieht sich der vermeintlichen Ordnung, zwischen Hochkultur und Street-Art. Im Eingangsbereich rappt Black Cracker aus dem Fernseher. Daneben hängt ausgedruckt ein Mailwechsel, den der amerikanische Musiker mit Mitarbeitern des Berliner Fensters geführt hat. Der U-Bahn-Infokanal hatte Black Cracker in einem Artikel als Frau beschrieben, die nun als Mann Karriere mache. Das stimmt zwar, aber seine Musik wurde in dieser Notiz völlig in den Hintergrund gedrängt.

Das Künstlerduo Alex Giegold und Tomka Weiß beziehen sich auf Gerichtsurteile in England und Schottland, bei denen von Trans- und Intersexuellen erwartet wurde, ihre Geschlechtsidentität vor einem Rendezvous offenzulegen. Daraufhin haben die beiden Freunde gebeten, ihre Genitalien zu beschreiben. Gerichtszeichner haben diese Schilderungen dann in Bilder umzusetzen. Feine Aquarelle sind daraus entstanden, Vulva-Kraterlandschaften und Schamlippen-Blüten. Wer will, kann sich selbst versuchen. Über Kopfhörer hört man die Beschreibungen, Stift und Papier liegen bereit.

Berührend sind jene Beiträge, die zurückhaltender daherkommen, wie etwa die grafischen Blätter der Künstlerin Zana. Sie hat eine Geschlechtsumwandlung hinter sich und ihr inneres Ringen und ihre ganze Verletzlichkeit fließen in die schwarz-weißen Männer- und Frauenakte ein.

NGBK, Oranienstraße 25, bis 10.8., So–Mi 12–19 Uhr, Do–Sa 12–20 Uhr. Programm: www.heidyngbk.blogspot.de

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