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Korsagen, Bänder, Haarsträhnen schränken Christina Rambergs Körper ein wie zum Beispiel in dem Gemälde „Glimpsed“.

© Kunst-Werke

Ausstellung in den Kunst-Werken: Christina Ramberg malte Kleider wie Panzer

Body Politics in der Kunst: Der Nachwuchs entdeckt die Chicagoer Künstlerin Christina Ramberg wieder neu.

Es geht um Körper in den Kunst-Werken, um Body Politics. Körper sind nur kaum zu sehen, außer natürlich das Publikum. Hans-Christian Lotz hat eine Glasschiebetür in den Kunst-Werken installiert, die auf herankommende Personen reagiert – die Türflügel öffnen sich automatisch – und uns doch vor den Kopf stößt. Die signalrote Automatiktür hängt an der Wand, die keine Öffnung zeigt.

Diverse Kindersicherheitsgitter („Gates“ von Ghislaine Leung) mit fummeligem Schließmechanismus behindern den Weg durch den Parcours im Erdgeschoss und der Halle. Dort unten liegt Ana Pellicers überdimensionaler Ring mit hellem Stein – geschaffen für den hohlen Kupferfinger der New Yorker Freiheitsstatue. Unsere Hände wissen wiederum nichts mit Richard Rezacs Wandobjekten anzufangen. Sie wirken funktional, sind schön designt, edel lackiert, aber nutzlos.

Rezac, Jahrgang 1955, hat am Art Institute of Chicago studiert. Wie die zehn Jahre ältere Christina Ramberg, die an der Hochschule auch lehrte. Die in Europa wenig bekannte Künstlerin, die 1995 nur 49-jährig starb, bildet das Kraftzentrum der dialogischen Ausstellung „The Making of Husbands“. Kuratorin Anna Gritz hatte 2014 Werke Rambergs in einer Glasgower Galerie gesehen und entschied sich für eine Gruppenschau, um zu betonen, wie aktuell ihr genderkritischer Ansatz ist und wie Fragen um den weiblichen Körper in der heutigen Kunst verhandelt werden.

Vielleicht erschien Gritz der Filmtitel „A Woman Under the Influence“ von John Cassavetes zu platt. Die nun gewählte „The Making of Husbands“-Überschrift jedenfalls bezieht sich auf einen anderen Cassavetes-Film, von 1970, und ein Making-of dazu: Nicht nur die Rolle „Ehemann“ sei ein Stereotyp, so die Kuratorin, auch das vermeintlich natürliche Verhalten von Schauspielern in einer Doku über Dreharbeiten gelte es zu hinterfragen. Aus heutiger Sicht erscheinen insbesondere die Geschlechterrollen in älteren Filmdokumenten oft künstlich, ja unfreiwillig parodistisch.

Christina Ramberg zeichnete und malte stark abstrahierte Torsi. Ihre auf Hartfaserplatte gemalten Bilder bestechen durch Symmetrie, gedämpfte bis düstere Acrylfarben und kräftige Konturen. Die Linien verformen, bändigen oder verletzen die Gestalt. Korsetts, Stoffbänder oder Haarsträhnen schnüren die Frauenkörper ein. Ramberg wird zu den Chicago Imagists gezählt, einer figurativen Gegenbewegung zum Abstrakten Expressionismus New Yorker Provenienz, die zwei Generationen umspannte.

Mit ihrer Kunst orientierte sich Ramberg an Comics und Cartoons

Auch die coole Pop-Art eines Warhol oder Lichtenstein fand keinen Anklang an der „Third Coast“ des Michigansees, obschon Ramberg & Co. sich mit Vorliebe an Comics orientierten. Rambergs Skizzenblätter machen diese Cartoon-Herkunft deutlich. In den teils seriellen Zeichnungen spitzt sich das Groteske noch zu, verdrehter Stoff geht hier in verdrehte Glieder über.

Das Gemälde in „Tight Hipped“ malte Christina Romberg im Jahr 1974.
Das Gemälde in „Tight Hipped“ malte Christina Romberg im Jahr 1974.

© Kunst-Werke

Emblematisch führte die Künstlerin vor, wie (weibliche) Körper zugerichtet und deformiert werden. Kleidung und Accessoires beschränken die kopflosen Figuren. Der Mensch mutiert zum Objekt. Die Körper in den 1975 entstandenen Hochformaten „Strung (for Bombois)“ und „Glimpsed“ wirken wie Kleiderständer. Die Kontur wird zum Gestänge. Bei „Strung“ bleiben größere Körperpartien leer. Sie sind in derselben graugrünen Färbung wie der Hintergrund gehalten. Während Rambergs abstrahierte Gemälde auf betongrau gestrichenen Stellwänden in der Halle ausgestellt sind, begegnet der Besucher im Entree mit „Black Widow“ und „Probed Cinch“ (beide von 1971) früheren Gemälden, die Comic-hafter, auch erotischer wirken. Man sieht Korsagen, Spitze und Taft und fühlt sich – bis auf die Absenz kräftiger Farbtöne – an den britischen Pop-Maler Allen Jones erinnert.

[Kunst-Werke, Auguststr. 69, bis 5. Januar; Mi bis Mo 11 – 19, Do 11 – 21 Uhr.]

Für die jungen Künstlerinnen ist Ramberg heute Inspiration

Im Echoraum von Rambergs Körperwelten bewegen sich Künstlerinnen wie die ausgebildete Modedesignerin Alexandra Bircken, mit ihren Entwürfen zwischen Motorradkluft und Glamour, oder Diane Simpson. Die 1935 geborene Bildhauerin, die ebenfalls an der Chicago School studierte, schafft Skulpturen, die wie minimalistische Kleidungsstücke oder Rüstungen aussehen. Sie bildet keine Körper, nur leere Hüllen, etwa bei „Box Pleats“ (1989), eine Art halboffenen Rock aus länglichen MdF-Brettern, die Faltenwurf simulieren. Kleidung kann ein harter Panzer sein.

Jens Hinrichsen

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