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Faszinierender Orient. Gustav Bauernfeind (1848 – 1904) zeigt in seinem Gemälde „Damaskus“ von 1890 detailgetreu das Nordtor der Großen Moschee. Drei Jahre später wurde die Moschee bei einem Brand schwer zerstört.

© Orientalist Museum

Ausstellung in Katar: Geschichte in Schichten

„Syria Matters“: Das Museum für Islamische Kunst in der katarischen Hauptstadt Doha zeigt das Welterbe zwischen Aleppo und Damaskus.

Syrien geht uns alle an. Das wird schon im Foyer des Museums für Islamische Kunst (MIA) in Doha deutlich: „Syria matters“ heißt die erste große Ausstellung weltweit über das syrische Kulturerbe nach Ausbruch des Krieges 2011. Die Namen haben es zu trauriger Berühmtheit gebracht: Ain Deraa, der Tempel im Norden Syriens, der mutmaßlich von der türkischen Luftwaffe bombardiert wurde, der Baal-Tempel, die Grabtürme sowie der Baalshamin-Tempel in Palmyra.

Auf den Leuchtstelen im Museumsfoyer wird der Ort vorgestellt, dann die Stätte in voller Schönheit gezeigt, darunter die Zerstörung. Es waren nicht nur die Bomben, sondern auch die systematischen Raubgrabungen in Apameia, die die Ruinenstadt wie einen löchrigen Käse aussehen lassen. Und dann Aleppo, die gemarterte Stadt – fast alle berühmten Orte Syriens haben gelitten.

Das Museum für Islamische Kunst in Doha wird 10 Jahre alt

Julia Gonnella, die Direktorin des MIA und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums für Islamische Kunst Berlin, und ihre Co-Kuratoren Rania Abdellatif und Kay Kohlmeyer wollen aus Anlass des 10. Geburtstag des Museums die Bedeutung des syrischen Kulturerbes ins Bewusstsein heben. Dafür ist das MIA der ideale Ort, denn hier strömen nicht nur Kataris bei freiem Eintritt ins Museum, sondern auch Inder, Pakistani, Indonesier – die Golfnachbarn bleiben wegen der Blockade gegen Katar fern.

In fünf Kapiteln wird das syrische Kulturerbe nicht nur durch vorzügliche Objekte, sondern auch mit Hilfe von raumgreifenden Videoinstallationen aufgeblättert. Die Videos nehmen mit in eine Welt, die durch den Krieg verschlossen ist. Wenn Immersion einen Sinn haben soll, dann sind diese Videos immersiv, sie führen auf die Zitadelle von Aleppo, wo einst der Wettergott residierte, ein wunderbares Relief aus hethitischer Zeit. Es zeigt Geschichte in Schichten, denn 200 Jahre später ließ sich ein König neben dem Gott des Wetters als gleichwertig in Stein verewigen, um seinen Herrschaftsanspruch über Palästina zu untermauern.

Eine große Goldschale aus dem Pariser Louvre ist zu Gast

„Ohne Syrien könnte ich diese Karte heute nicht schreiben“, notierte eine Besucherin am Ende der Ausstellung auf einer Karte. Syrien gilt als Wiege der Menschheit, in Ugarit wurde das erste Alphabet erfunden, bei dem ein Buchstabe einen Laut abbildet. Byblos (heute im Libanon) und Ugarit waren 2000 v. Chr. die bedeutendsten Hafenstädte der Levante, die gezeigten Objekte unterstreichen das. Die große Goldschale aus dem Pariser Louvre weist in Struktur und Dekor Einflüsse aus der Ägäis, Ägyptens und des Nahen Ostens nach. Kretische und zypriotische Importware erster Qualität steht für die Handelsbeziehungen Ugarits.

In geschwungenen Bahnen, markiert durch Tuchwände, die großformatige Fotos durchschimmern lassen wie das von der Grabung in Tel Halaf, erschließen sich die Schichten der syrischen Zivilisation. Blickfang ist in diesem Kapitel ein großer Greif aus dem Vorderasiatischen Museum Berlin, der im Rahmen des Tell-Halaf-Projektes wieder zusammengesetzt wurde. Die Inschriften stehen zugleich für die Einführung des Aramäischen in Syrien. Aramäisch war auch die Sprache Christi, es wird heute noch im christlichen Dorf Maloula gesprochen. Tell Halaf bedeutet auch die Wiederauferstehung verloren geglaubten Kulturgutes durch Restaurierung, die große Ausstellung in Berlin 2011 ist noch in guter Erinnerung.

Mit einer virtuellen Drohne über Palmyra

Die Wüstenstadt Palmyra mit ihrer strategischen Lage zwischen dem Mittelmeeraum und Mesopotamien war von Anfang an dazu bestimmt, Mittlerin der Kulturen zu sein. In einem gigantischen Video fliegt man über die Ruinen und registriert mit Wut und Trauer die Zerstörung des Baal-Tempels. Ein fein gearbeitetes Kamelrelief unterstreicht die Bedeutung Palmyras für die Handelskarawanen. Beeindruckend das Ölgemälde von Louis-Francois Cassas von den Grabtürmen der Nekropole anno 1785.

Mit der Ankunft des Islam im 7. Jahrhundert verändert sich alles, die Umayyaden begründen ihre Dynastie. Damaskus wird 661 Hauptstadt dieses neuen Reiches, das eines Tages von Spanien bis Indien reichen sollte. Mit der Großen Moschee von Damaskus wurde dem neuen Glauben ein mächtiges Denkmal gesetzt.

Gustav Bauernfeinds detailreiches Gemälde „Damaskus“ (1890) steht beispielhaft für die Faszination, die die Stadt auf Europäer ausgeübt hat. Hier zeigen die Videos der französischen Firma Iconem in einem dreiwandigen Raum eine Reise durch den Innenhof der Moschee, am Minarett sind Kriegsschäden zu sehen. Wut, Trauer und Faszination wechseln sich angesichts dieser Bilder ab.

Spitzenstück der Schau: Cavour-Vase aus dem 14. Jahrhundert

Die Kreuzfahrerperiode behandeln die Kuratoren aus muslimischer Sicht. Salah al-Din Ayyub (1138-1193), hier bekannt als Saladin, einte das Reich, eroberte es von den Kreuzrittern zurück und baute die Zitadellen aus, was ein Video von Saladins Burg zeigt. Wissen und Glaube wurden unter den Ayyubiden gestärkt, Keramik, Metallwaren und Glas wurden zu meisterhafter Perfektion entwickelt, wie die spektakuläre „Cavour-Vase“ aus kobaltblauem Glas mit Emaille und Goldverzierung aus dem 14. Jahrhundert zeigt, ein Spitzenstück des MIA. Das Syrien, wie wir es heute aus den Altstädten kennen, wurde unter der Herrschaft der Osmanen (1517-1922) geprägt. Christentum und Judentum hatten ihre Freiräume und die bürgerliche Kultur entwickelte sich zu großer Blüte und Raffinement, wie ein Video aus dem Azem-Palast in Damaskus zeigt.

Was für eine Ausstellung, mit Leihgaben aus Berlin. A propos – warum nicht die Ausstellung nach Berlin holen? Auf der Museumsinsel gibt es Schätze aus Syrien, die dann in einem anderen Licht erschienen. Und die Staatlichen Museen haben das Multaka–Programm mit den syrischen Guides. Was für ein Fest wäre das für alle Syrer in Berlin und alle an Syrien Interessierten?

Informationen: www.mia.org.qa/en

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