zum Hauptinhalt
Warhol

© dpa

Ausstellung: Jeden Tag ein Ohr abschneiden

Ein weiteres Glied der Reihe "Kult des Künstlers" ist Andy Warhol. Seine Werke sind bis zum 1. November in der Schau "Celebrities" im Hamburger Bahnhof zu sehen.

Tässchen Tee gefällig? Wer sein Porzellan in der Warhol-Ausstellung im Hamburger Bahnhof kauft, den lächelt beim Trinken eine Marilyn mit gelbem Gesicht und rosa Lidschatten an. Oder war es ein rosa Antlitz mit blauem Kussmund? So genau weiß man das nach zehn Minuten schon nicht mehr und will sich auch gar nicht merken, was die Schau „Celebrities“ alles versammelt. Im wilden Potpourri aus Kunst und Verkaufsausstellung präsentiert sich ein Trenchcoat mit Blumendruck neben T-Shirts und Lampions mit Monroe-Lächeln. Dazwischen hängen schließlich jene leuchtend bunten Originale, die den Herstellern der Devotionalien als Vorlagen dienten.

Weil Kunst, Design und Mode sich derzeit innigst umarmen, läuft man auch in der Ausstellung über einen roten Teppich und blickt auf Warhols Arbeiten, der schon früh Glamour mit Pop und Kunst und Marketing gekreuzt hat, um sich und seine Star-Porträts unsterblich zu machen. Deshalb passt der Popartist perfekt in den Ausstellungsreigen „Kult des Künstlers“ der Staatlichen Museen. Völlig misslungen aber ist die Präsentation, die den von Warhol provozierten Kurzschluss zwischen Hochkultur und Unterhaltung auf die Spitze treiben möchte und die Ausstellung wie eine Boutique aussehen lässt, in der es billigen Fake gibt.

Wie anders war Warhols Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie 2002, und wie anders wirkt die große Schau in den Rieck-Hallen nebenan, die sich ebenfalls am Künstlermythos stößt. Hier aber wird er durch die Kunst selbst dekonstruiert: etwa dank Paul McCarthy, der in einem Video von 1974 mit dem Penis Bilder malt und sich später dann einen dicken Pinsel zwischen die Beine zwängt. Dem männlichen Künstler als omnipotenten Schöpfer setzt die Britin Sarah Lucas das weibliche Pendant entgegen, indem sie sich mit zwei Spiegeleiern auf der Höhe ihrer Brüste fotografieren lässt – besser kann man den ewigen Stereotypen kaum begegnen.

„Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden“

„Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden“, heißt die imposante Ausstellung mit Werken von Marcel Duchamp, Bruce Nauman, Dieter Roth, Cindy Sherman oder Martin Kippenberger. Ihre Referenz ist ein Satz Kippenbergers, der in einem Interview auf die Erwartungen des Publikums anspielte: der Künstler, ein Wahnsinnsgenie. Die Ausstellung liefert genau das Gegenteil: lauter Bilder, Skulpturen und Videos, die dieses Klischee unterlaufen.

Da lässt sich Marcel Broodthaers beim Signieren filmen, ohne dass man die Hand des Künstlers sieht. Die Fotografin Vibeke Tandberg macht sich zum Zwilling, während Mladen Stilinovic gleich dreimal durch seine schwarzweißen Aufnahmen geistert und sich mitunter selbst befriedigt: ein böser Verweis auf die angebliche Selbstbezüglichkeit von Kunst und Künstler. Strategien gibt es viele, subversiv wie provokant. Immer aber pflegen sie auch den Mythos, den sie gleichsam in sich tragen: Wäre der Kult des Künstlers nicht allgegenwärtig, würde keine der hier vorgeführten Pointen zünden.

Hamburger Bahnhof, bis 11. 1. 2009 („Celebrities“) sowie bis 22. 2. 2009

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false