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Werke des kalifornischen Künstlers John Baldessari sind in der Villa Schöningen zu sehen.

© John Baldessari

Ausstellung: Kalifornien ist ganz anders

Amerikanische Künstler stellen in der Villa Schöningen aus. Aber nur Sommer, Sonne, Spaß ist das nicht.

Vom Licht verwöhnt wird Potsdam derzeit nicht, und auch die kalifornischen Künstler in der Villa Schöningen bedienen diffuse Sehnsüchte nach Sonne und Glamour ein wenig anders, als es ihre Herkunft von der Westküste vermuten ließe. Surfer zum Beispiel sucht man in der Ausstellung „Californian Rhapsody“ vergeblich – und wenn es doch eine Andeutung von Hitze, Palmen oder Wellenreiten gibt, verzerrt sich dieser Eindruck zum bösen Klischee. In dem privaten Kunsthaus an der Glienicker Brücke hängen schließlich von Harald Falckenberg erworbene Werke: Wer hier Hollywood oder anderes ästhetisch Konformes erwartet, der kennt die Leidenschaften des Hamburger Sammlers nicht.

Schmutzige Plüschtiere in der Kunst

Falckenberg ist ein Freund der harten Jungs, wie sie Mike Kelley, Paul McCarthy, Jason Rhoades oder Raymond Pettibon verkörpern. Künstler, deren Arbeiten die Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft nicht bloß zum Thema haben, sondern sie geradezu leben. Die schmutzigen Plüschtiere, aus denen Kelley seine hängenden, begehbaren Installationen näht, die pornografischen Kabinette eines Jason Rhoades oder McCarthys verstörende Performances mit Flüssigkeiten aller Art sind Ausdruck einer konträren Kultur – der Feier alles Körperlichen, gepaart mit unglaublicher Prüderie.

So besehen präsentiert Falckenberg noch die zahmen Seiten jener Artisten, die sich als Teil der kalifornischen Subkultur begreifen. So zeigt McCarthy in „Documents – Flicker Videos“ (2005) gefundenes Filmmaterial aus Disneyland, Neuschwanstein oder von NS-Versammlungen, das er so schnell hintereinander schneidet, dass es zu einer janusköpfigen Impression gerinnt. Und Kelleys frühe Blätter von 1978 zeigen weniger einen Rebellen denn den Künstler als experimentellen Zeichner.

Natur als Phantasmagorie

Im Übrigen leuchten Chrysanthemen an der Wand, gezüchtet von der 1962 in San Francisco geborenen Videokünstlerin Diana Thater, die die Blumen mit dem medialen Mittel des Projektors reinszeniert. John Baldessari übt in seinem großartigen Video „Teaching a Plant The Alphabet“ (1971) mit einem mickrigen Grünzeug unermüdlich das Sprechen. Und Lynn Hershman markiert in ihrer Arbeit "Construction Chart #2" die typischen Eingriffsfelder der Schönheitschirurgie. Alle drei aber scheinen zu rufen: Natur in Kalifornien ist die reine Phantasmagorie.

Falckenberg als Kurator versieht die Räume der Villa mit diversen Kapitelüberschriften. Eine widmet sich Hollywood, die andere der „amerikanischen Tragödie“ und noch eine der Schönheit, wie sie Thaters künstliche Blumenpracht symbolisiert. Ob das angesichts der relativen Übersichtlichkeit überhaupt nötig ist? Eher verstellt es den Blick auf das latente Anliegen der Ausstellung, die Kalifornien als historisches Ziel der Aussteiger und neues Eldorado digitaler Glücksritter sieht. Bloß die Künstler sind sich treu geblieben und zeichnen weiterhin am realen Bild einer gespaltenen Gesellschaft.

Villa Schöningen, Berliner Straße 86, Potsdam, bis 15. März, Do-So 10-18 Uhr

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