zum Hauptinhalt
Letzte Retuschen. Restauratorin Ramona Roth ist fast fertig mit der Wiederherstellung des Andachtsbildes von Botticelli, das von Würmern durchlöchert und im Bereich des Gesichts des Christus stark gestört war.

©  Staatliche Museen zu Berlin

Ausstellung "The Botticelli Renaissance": Hohlglaskügelchen gegen Wurmlöcher

Aus Anlass der großen Ausstellung hat die Gemäldegalerie zwei weniger bekannte Botticellis restauriert – ein Blick in die Werkstatt.

Für die Würmer muss es im wahrsten Sinn des Wortes ein gefundenes Fressen gewesen sein. Sandro Botticelli hatte sein Andachtsbild „Christus, der Erlöser“ vor rund 500 Jahren auf eine Pappelholzplatte gemalt, die bei näherer Betrachtung extrem verwurmt und damit als Bildträger geschwächt war.

Wenn große Ausstellungen nahen und Mittel bereitstehen, schaut man sich im Depot um und sichtet die eigene Sammlung. Und von Botticelli hat die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin einiges zu bieten. Gleich zwei Werke des Florentiner Meisters wurden nun aus Anlass der aktuellen Ausstellung von ihrem Depot-Dasein erlöst – zuvor aber einer umfangreichen konservatorischen und restauratorischen Kur unterzogen.

„Christus, der Erlöser“ ist sozusagen eine Fließbandarbeit, kein Spitzenwerk, aber ein Andachtsbild, das Christus im Porträt zeigt sowie seine beiden Hände mit den Wundmalen. Das Gemälde war ursprünglich größer, es wurde beschnitten und im Rahmen gemalt; das beweisen Mikroskopaufnahmen. „Goldreste vom Rahmen finden sich auf dem Bild“, sagt Restauratorin Ramona Roth, die das Gemälde eingehend untersucht hat.

Würmer lieben Leim

Durch den Beschnitt der Platte sind die Wurmgänge eindeutig zu erkennen, und auch die Bildrückseite sieht sehr zerlöchert aus. „Würmer lieben Leim und haben sich fast bis zur Grundierung vorgefressen“, sagt Roth.

Zudem hat das Bild eine senkrechte Bruchkante, rechts im Gesicht des Christus gab es Fehlstellen in der Bemalung und die rechte obere Rückseite war beschädigt. Im Arm des Christus fanden sich ältere Verleimungen, insgesamt also ein recht desolater Zustand. Hinzu kommt, dass eine dicke Firnisschicht den optischen Eindruck stark beeinträchtigt hatte.

Als besonderes Problem erwies sich der Wurmfraß unter der Malschicht. Dort war ein regelrechter Hohlraum entstanden. Also ging es vorrangig darum, einen Bruch der Malschicht zu verhindern und das Loch sinnvoll zu stopfen. Aber wie? „An der Stelle dürfen wir kreativ sein“, erzählt Babette Hartwieg, Leiterin Restaurierung und Kunsttechnologie der Gemäldegalerie.

„Wir mischen uns etwas zurecht, was eventuell passt. In diesem Fall waren es Hohlglaskügelchen mit einem Durchmesser von 29 e, also 29 Tausendstel Millimeter. Die haben wir dann mit Klebemittel verrührt und unter die Farbschicht gespritzt.“

Der Firnis verfälscht die Farben

Diese Hohlglaskügelchen werden hart, bleiben aber auch ein bisschen elastisch und können daher nicht so leicht brechen, sind aber extrem stabil. Die beschädigte Ecke oben wurde mit Balsaholz repariert, das ganz leicht ist.

Vom gesamten Bild wurde eine dicke Firnisschicht entfernt. Durch die Vergilbung verfälscht der Firnis die Farben: Ein Blau wird eher Grün, ein Weiß dunkel und der Hintergrund des Bildes, eine angedeutete Landschaft, war vergraut.

„Der Hintergrund ist jetzt viel plastischer geworden“, sagt Babette Hartwieg, „das Bild hat eindeutig gewonnen.“ Ein Gemälde leuchtet insgesamt stärker, wenn die Firnisschicht abgenommen wird, grobere und feinere Farbpigmente kommen zum Vorschein. Am blauen Ärmel hat Restauratorin Roth viel Kitt weggenommen, mit dem die beiden Tafelhälften verbunden waren. Der Tafelspalt ist jetzt deutlich erkennbar, so ist aber auch mehr vom Original zu sehen.

Schwere Störungen auf Höhe des rechten Auges

Das Gemälde "Christus der Erlöser" hatte stark gelitten.
Das Gemälde "Christus der Erlöser" hatte stark gelitten.

© Christoph Schmidt/SMB

Im Gesicht ist Ramona Roth noch nicht ganz fertig, dort gab es schwere Störungen auf Höhe des rechten Auges. Das wird nun behutsam wiederhergestellt, und auch die Haarlocke soll nach Möglichkeit in ihrer Grundstruktur wieder sichtbar sein. Für dieses Andachtsbild, das in der Werkstatt Botticellis immer wieder kopiert worden ist, hat man einen vergoldeten Rahmen mit Platte erstellt. „Wahrscheinlich war die Platte früher sogar noch verziert“, sagt Hartwieg, „aber das wäre jetzt zu aufwändig gewesen, denn vermutlich wandert das Bild nach der Ausstellung wieder in das Depot.“

Von dort stammt auch ein weiterer Botticelli, „Maria mit dem Kind und dem Johannesknaben“, ein ungerahmter Tondo, für den jetzt ein neuer schlichter Rahmen geschaffen wurde. Er muss berücksichtigen, dass sich der Bildträger sehr gewölbt hat. Das Bild hatte viele Risse, Abplatzungen bei älteren Kittungen. Auch dieses Gemälde für eine Florentiner Familie hatte seinen Glanz unter einer dicken Firnisschicht eingebüßt.

Es waren eben Handwerker. Aber ziemlich gute.

Das ursprünglich blaue Gewand der Jungfrau Maria ist immer noch schwer als solches zu erkennen. „Der Firnis ist tief in die Farbe eingedrungen, sozusagen Blau in Aspik, aber daher auch schwer wieder zu lösen, das Gewand war nicht zu retten“, sagt Hartwieg. So wurden die Oberfläche gereinigt und die Risse neu verleimt.

Der Rahmen wurde wegen der Wölbung maßgefertigt, aber nicht vergoldet. „Das würde die Vergilbungen noch mehr betonen, daher werden wir eine kühlere, abstraktere Farbe wählen, eventuell ein dunkles Grau“, sagt Babette Hartwieg. Bei der Perspektive Rückkehr ins Depot wäre mehr auch zu viel gewesen.

Auch an diesem Bild lässt sich die Fließbandarbeit erkennen, Linien für die Architektur sind eingeritzt und der Johannes, den man von einem anderen Bild kennt, kniet hier auf einem Sockel. „Bei großer Nachfrage wurden beliebte Motive wiederholt, es waren eben Handwerker“, sagt Hartwieg. Aber ziemlich gute.

The Botticelli Renaissance - Rahmenprogramm zur Ausstellung

Vermutliches Selbstbildnis um 1475, Detail aus dem Zanobi-Altar, Uffizien, Florenz.
Vermutliches Selbstbildnis um 1475, Detail aus dem Zanobi-Altar, Uffizien, Florenz.

© Wikipedia

Gemäldegalerie am Kulturforum, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin, bis 24. Januar 2016

TICKETS:

14 Euro, ermäßigt 7 Euro. Es empfiehlt sich, ein Zeitfenster zu buchen unter: http://www.botticelli-renaissance.de/tickets

KATALOG:

Hirmer Verlag, 45 Euro

VORTRÄGE:

8. Oktober 2015, 18 Uhr:

Thomas Mann: „Fiorenza“. Ein Gespräch mit der Herausgeberin Elisabeth Galvan (Università di Napoli L'Orientale) und Peter von Becker. Szenische Lesung mit Schauspielern des Deutschen Theaters. Anmeldung erbeten: antwort.iicberlino@esteri.it

29. Oktober 2015, 18 Uhr:

Botticelli und die Romantik: Wiederentdeckung und Verbreitung. Daniel Godfrey (Charles Booth-Clibborn Collection, London)

5. November 2015, 18 Uhr:

Botticelli und die Moderne. Stefan Weppelmann (Kurator der Ausstellung, Kunsthistorisches Museum Wien)

26. November 2015, 18 Uhr:

Emilio Pucci und Botticelli: Kunst, Inspiration und Mode von den Hochzeitstruhen bis zur Couture. Alessandra Arezzi Boza (Modehistorikerin, Florenz). Auf Italienisch mit Simultanübersetzung. In Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek der SMB. Anmeldung erbeten: antwort.iicberlino@esteri.it

3. Dezember 2015, 19 Uhr:

„Die Medici“ als azione storica – Leoncavallos ambitioniertes Opernprojekt.

Arne Langer (Theater Erfurt) über den Komponisten und seine Zeit. Mit Arien aus der Oper „Die Medici“, gesungen von Ilia Papandreou und Juri Batuko, begleitet von Ralph Neubert (Piano). Veranstaltungsort: Musikinstrumentenmuseum. Eingang: Ben-Gurion-Straße. In Zusammenarbeit mit dem Theater Erfurt. Anmeldung erforderlich: antwort.iicberlino@esteri.it

17. Dezember 2015, 18 Uhr:

Botticelli und Berlin. Ruben Rebmann (Kurator der Ausstellung, Gemäldegalerie der SMB). In Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek der SMB.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false