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"Der Himmel über Berlin ist unteilbar" malte Annemirl Bauer im Jahr 1980.

© Marlies Kross / Kulturstiftung Cottbus

Ausstellung zeigt DDR-Künstlerin Annemirl Bauer: Wut im Stift

Die Künstlerin und DDR-Oppositionelle Annemirl Bauer malte, zeichnete und klebte, obwohl sie bespitzelt wurde. In Cottbus und Pankow wird ihr nun eine Doppelausstellung gewidmet.

Hier eine hingetuschte Dame auf allen Vieren, dort ein gemaltes Berlin mit Müggelsee. Die nackte Dame reckt den Po in die Höhe, denn hinter ihr hockt ein glatzköpfiger Herr, der zwischen ihren Beinen schnuppern zu wollen scheint: „Mit weiblicher Zuarbeit ausgestattete männliche Führungsqualität“ heißt diese Gouache von 1988. Auf dem Berlin-Triptychon dagegen wimmelt es vor U- und S-Bahnen, Autos, Menschen, Bäumen, Schiffen – nur die Mauer ist nirgends zu sehen: „Der Himmel über Berlin ist unteilbar“, heißt das Gemälde von 1980. Kein Wunder, dass die Macher der „X. Kunstausstellung in der DDR“ in Dresden es ablehnten.

Annemirl Bauer aber malte, zeichnete und klebte weiter. Obwohl sie bespitzelt wurde, obwohl der Verband Bildender Künstler sie zwischenzeitlich ausschloss, obwohl sie nach Stationen in Weimar, Dresden und Berlin in Potsdam-Mittelmark ein Leben am Existenzminimum führen musste. Erkrankt an Krebs starb sie mit nur 50 Jahren im Spätsommer 1989.

Jetzt widmen das Cottbuser Kunstmuseum Dieselkraftwerk und die kommunale Galerie Pankow ihr eine Doppelausstellung. In Cottbus werden die großen Gemälde gezeigt sowie die Collagen, in Pankow vor allem Gouachen und Zeichnungen, darunter das böse Blatt zur Stellung der Frau.

Rund 100 Arbeiten, geschickt gegliedert

Dem Pankower Teil kommt dabei die Rolle eines ausführlichen Vorwortes zu: Nach Gattungen und Motiven gegliedert führt die Schau hier in Annemirl Bauers Meinungen und Motive ein. Neben Variationen der Mutter-Kind-Bildnisse und puppenhafter Porträts verloren blickender Mädchen und Frauen hängen hier die übermalte Eingabe, mit der sich Bauer 1987 in Prenzlauer Berg gegen eine Räumungsklage wandte, sowie viele der geschwungen Stift- und Federzeichnungen, mit denen sie das Nebeneinander von Frau und Mann im Sozialismus karikierte. Dazu zählen ein Paar im Vogelkäfig und der eitle Kerl mit Schnauzer, der einen Frauenakt wie eine Gitarre hält und Wolf Biermann ähnelt.

Die wohnliche Belétage der Galerie Pankow verstärkt den intimen Charakter der Schau, und doch kommt der Betrachter Annemirl Bauer in Cottbus näher. Das liegt an der geschickten Gliederung der rund 100 Arbeiten dort. Der erste Raum mit kleinen Zeichnungen und bunten Collagen erzählt von Bauers Sehnsucht, etwa nach Frankreich und Spanien, die sie teils illegal bereisen konnte.

Der dritte Saal spiegelt ihr Erleben des DDR-Alltags und ihren wachsenden Zorn: Frauenakte, mythologische Figuren und Selbstbildnisse, mal eher in der Tradition von Chagall und Matisse, mal mit dem wütenden Duktus einer Neuen Wilden. Der zweite und zentrale Saal aber gehört explizit der Politik. Auf Leinwänden, Schrank- und Kommodenteilen protestieren Bauers figurative Szenen gegen die Wehrpflicht für Frauen, gegen Bärbel Bohleys Haft und das Eingesperrtsein im Heimatland.

An dem Werk der Künstlerin nagt die Zeit

Im Zusammenspiel machen die beiden Ausstellungen deutlich: Annemirl Bauer wirkt in Zeichnung und Gouache sehr viel sicherer. Offensichtlich lagen ihr deren Tempo und Möglichkeiten zur Zuspitzung stärker als Leinwände, die geduldig mit Farbe und Details gefüllt werden sollten. Tatsächlich wirken Letztere dann am stärksten, wenn Bauer zusätzliches Material wie Jute und Metall einsetzte, etwa an den männlichen Geschlechtsteilen ihrer bewaffneten „Wehrweiber“.

Deutlich wird jedoch auch: An dem Werk der Künstlerin nagt die Zeit. Hier wachsen braune Flecken durchs Papier, dort reißt ein Malgrund. Annemirl Bauers Nachlass muss dringend konserviert werden.

Cottbus, Kunstmuseum Dieselkraftwerk, Am Amtsteich, bis 21. Juni, Di–So 10–18 Uhr.

Galerie Pankow, Breite Str. 8, Berlin-Pankow, bis 28. Juni, Di–Fr 12–20 Uhr, Sa/So 14–20 Uhr.

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