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Katzenkoller. eine Breitwandcollage von Barbara Breitenfellner.

© Gerhard Haug

Ausstellungen in Schöneberg: Nachts, wenn die Bomber kamen

Das Haus am Kleistpark zeigt das neue Projekt des Fotografen Mike Chick sowie eine Gruppenausstellung zum Marianne-Werefkin-Preis.

Mike Chick hat sich auf die Spuren seines Vaters begeben – und dabei Schneisen der Verwüstung gefunden. Als Pilot im Zweiten Weltkrieg hat der britische Soldat Nazideutschland bombardiert. Wo genau er die zerstörerische Luftfracht abwarf, notierte der Offizier in seinem Royal Airforce Logbuch. Das diente nun dem Sohn als Routenplaner. 26 Städte hat er besucht, in Deutschland und Italien, im damals besetzten Frankreich wie im von der Wehrmacht überfallenen Polen. Nachts, also zur Arbeitszeit der Kampfflieger, entstand die Serie quadratischer Schwarzweißaufnahmen, die jetzt im Projektraum des Hauses am Kleistpark zu sehen ist.

Friedliche Bilder, leere Straßen

Friedlich ist die Stimmung auf diesen Bildern, die Straßen sind menschenleer. Oft hat der in Oxford und London ausgebildete Fotograf Standorte am Wasser gewählt, an Kanälen und in Hafenanlagen, wo sich die wenigen Lichtquellen als Spiegelungen verdoppeln. Der Krieg scheint weit weg – und ist doch präsent, denn fast überall wird die urbane Landschaft von Gebäuden dominiert, die sichtbar erst nach 1945 entstanden sind.

Mike Chick, der eine deutsche Mutter hat und in Berlin lebt, stellt in seinen Arbeiten häufig die private Familiengeschichte in den Zusammenhang mit historischen Ereignissen. Zum 75. Jahrestag des Kriegendes ist ihm mit dem „Log Book“ ein Projekt gelungen, das auf ebenso stille wie berührende Weise verdeutlicht, welche Wunden dem Kontinent Europa vor einem Dreivierteljahrhundert geschlagen wurden.

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Zwei Treppen höher, in den großen Galerieräumen des Hauses am Kleistpark, ist mit siebenwöchiger, Corona-bedingter Verspätung endlich die Ausstellung zum Marianne-Werefkin-Preis zu sehen. Alle zehn nominierten Frauen sind vertreten, den Hauptraum aber darf die diesjährige Gewinnerin Barbara Breitenfellner alleine bespielen. Und sie nutzt die Chance ohne Scheu, setzt eine 37 Quadratmeter großen Collage vor die Fensterfront, auf der jede Menge Katzen herumtollen, Symboltiere für ihre Traumerlebnisse, die hier verarbeitet sind.

Auf den Spuren von Marcel Proust

Kuratorin Anna Havemann hat die weiteren neun künstlerischen Positionen auf der übrigen Fläche mit diplomatischem Geschick arrangiert: Ölgemälde sind dabei, wie die expressiven, gesellschaftskritischen Bilder der 1942 geborenen Mara Loytved-Hardegg oder die intuitiven, sinnlichen Farbspiele der 31-jährigen Aneta Kajzer, Fotokunst von Anna Lehmann-Brauns, die leere und doch vom Geist ihrer Bewohner belebte Räume zeigt, oder von Nanae Suzuki, deren Inspirationsquelle Texte von Marcel Proust und Alain Robbe-Grillet waren. Rona Kobels deformierte Porzellanleuchter stehen neben den filigranen Papierarbeiten von Fiene Scharp, Harriet Groß inszeniert ein rhythmisches Metallstangen-Ballett, von Kerstin Drechsel stammt die Installation „I love feminism“, Rebecca Raue hat traditionelle arabische Malerei kalligraphisch überformt.

Polyphonie der künstlerischen Stile

Es mag eine unfreiwillige Gruppenausstellung sein, ohne gemeinsames Thema oder ästhetische Stoßrichtung, zusammengewürfelt allein von der Jury-Entscheidung. Und doch ergibt sich aus den so unterschiedlichen Ansätzen für den Betrachter letztlich ein anregender, vielstimmiger Zusammenklang. In der Musik gibt es dafür ein passendes Wort: Polyphonie (Haus am Kleistpark, Grunewaldstraße 6, bis 28. Juni, Di - So 11 - 18 Uhr).

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