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Ach, die Moderne: Galerie Fricke stellt Albert Weis aus

Es gibt Straßen, die stimmen sofort traurig. Albert Weis hat einen solchen Boulevard in Los Angeles fotografiert, wie er sich in einem braun getönten Schaufenster spiegelt: Büro- und Geschäftshäuser, ohne klare Konturen und Proportionen.

Und kein Mensch weit und breit, nur dicke Autos. Auf den ersten Blick mag die Aufnahme wie eine Kritik an der Stadtplanung wirken. Doch Weis geht es um mehr: Er hat Massenarchitektur fotografiert, Zeugen einer Zeit, als der Moderne die Ideen und Ideale ausgingen.

Weis hat 14 solcher Fotos mit kleinen Nägeln an die Wand der Galerie M + R Fricke gepinnt (je 900 €). Ein Kaleidoskop rentabler, schneller Bauten wie jener schwarze Koloss ohne Fenster, aber mit Leuchtreklame für Bankautomaten. An die ästhetischen und sozialen Argumente dagegen, die die Moderne doch einmal gehabt hat, erinnert die Bodenskulptur „cité/belle ville“. Sie zitiert den „Modulor“, jenes Maßsystem, mit dem der Architekt Le Corbusier Gebäudeproportionen an die Größe des Menschen anpassen wollte. Aus Aluminium und Holzimitat hat Weis einen L-förmigen Paravent geschaffen, der sofort dazu auffordert, sich anzulehnen und aufzustützen (besser nicht!) oder mit ihm zu wohnen – so klar spricht er den Körper an. Und das, obwohl Weis bei den Proportionen der Stelzen gemogelt hat: So hoch, so staksig sahen sie bei Niemeyer und Le Corbusier nie aus (15 000 €). An die Sehnsüchte, die die Moderne weckte, erinnert schließlich eine Neonschrift an der Wand: „Cocktail“ steht da in auseinander laufenden rosa Buchstaben, eine Reminiszenz an die Mythen von einem Leben in Fortschritt und Freizeit und mit einem Hauch weiter Welt auf den Terrassen der Reihenhausgärten (bis 6000 €).

Dennoch wirkt die Ausstellung weder nostalgisch noch mokant. Dafür sorgen all die luftigen Arbeiten, die Weis zwischen seine Fotos gehängt hat: weißes Papier mit feinen schwarzen Punkten und schmalen diagonalen Faltungen, die auf den Schalenbetonbau anspielen und die folder wie freche Papierflugzeuge wirken lassen. Die ironische Pointe liefert eine frei hängende Wanduhr mit zwei Zeigern auf jeder Seite (3000 €). Weis hat das Zifferblatt ausgebaut und eines der beiden Uhrwerke manipuliert. Jetzt wandern die Zeigerpaare in entgegengesetzte Richtungen. Ob die Zeit vorwärts oder rückwärts läuft, ist eine Frage des Standpunkts. Und nicht zuletzt er entscheidet, was von der Moderne bleibt und in Zukunft wieder taugt.

Galerie M+R Fricke, Invalidenstr. 114; bis 31.7., Di-Fr 11-18, Sa 12- 17 Uhr.

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