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© Menahem Kahana

Ausstellung: Gott bittet zu Tisch

Opfergaben, koschere Pepsi, gespaltene Hufe: Die Ausstellung "Koscher & Co." im Jüdischen Museum erzählt über Essen und Religion.

Auf dem Tisch stehen Teller und flüstern. Gemeinsam mit den Krügen verbreiten sie ein stetes Raunen. Wer hineinhört, vernimmt Fetzen von Tischgesprächen. Besteck klappert, Menschen lachen. Man kann sich an die gedeckte Tafel setzen und Teil der imaginären Tischgesellschaft werden. Wenn Menschen zusammenkommen, trinken und essen sie. Ein merkwürdiger Reflex. Oft geben religiöse Regeln der Gemeinschaft vor, was auf den Tisch kommt. Die Ausstellung, in der Geschirr reden kann, befindet sich im Jüdischen Museum und heißt „Koscher & Co. Über Essen und Religion“. Hier wird ein Thema sinnlich umgesetzt, das vorwiegend aus einem besteht: Speisegesetzen. Die subtilen Vorschriften, die Außenstehenden undurchdringlich erscheinen, werden den Besuchern auf vielfältige Weise nahegebracht. Auch die Objekte, die nicht flüstern, haben etwas zu sagen.

Zu den rund 700 Exponaten gehören altbabylonische Tonfiguren ebenso wie zertifiziert koschere Pepsi. Der breit angelegte Erzählbogen der Ausstellung greift von den Kulturen Mesopotamiens über die Antike bis in die Gegenwart. Im Zentrum stehen die Gepflogenheiten der jüdischen Kultur und die Frage, was ein Nahrungsmittel koscher macht.

Video- und Hörstationen führen durch die Welt der koscheren Nahrungszubereitung

Da ist zum Beispiel eine lange Karawane aus Spielzeugtieren. Einige stehen aufrecht und blicken in den Raum, andere liegen abgewandt. Die Giraffe reckt stolz ihren Hals. Sie ist koscher. Der Elefant hingegen liegt hingestreckt. Nicht koscher, er hat weder gespaltene Hufe noch einen Wiederkäuermagen.

Eine Klasse der Freien Waldorfschule Kreuzberg hat gerade ihren Rundgang beendet. Die Schüler dürfen nun mit gelben Klebezetteln bewaffnet noch einmal durch die Ausstellung streifen. Die Zettel sollen sie auf den Boden vor jene Objekte kleben, die ihnen besonders gefallen haben. Bei der bunten Karawane sammeln sich die gelben Rechtecke, ebenso bei den Vitrinen mit ausgestopften Tieren. Die verbildlichte Klassifikation der Tierwelt in reine und unreine Arten gibt den Schülern die Orientierung, die der Alltag zwischen Dönerbuden, Synagogen und Grillwiesen nicht bietet. Video- und Hörstationen führen durch die weite Welt der koscheren Nahrungszubereitung. Die Regeln werden dabei in ihre biblischen Geschichten eingebettet. Koscheres Brot ist ohne Triebmittel hergestellt und ein Symbol für die Befreiung des jüdischen Volkes aus der Sklaverei. Die flachen Laibe, Mazze genannt, erinnern an die Flucht der Israeliten aus Ägypten, bei der keine Zeit blieb, den Brotteig gehen zu lassen.

Wechselblicke zwischen den Weltreligionen

Schon seit frühesten Zeiten gehören Essen und Religion zusammen. Das beweist nicht zuletzt die Tradition der Opfergabe. Über dem Modell der Tempelanlage Jerusalems dringt eine Stimme aus dem Lautsprecher. Wie in einer Märchenstunde berichtet sie von kultischen Schlachtungen im Tempel. Die Erzählung entstammt einer spätantiken Sammlung rabbinischer Lehren. Anklang findet sie offensichtlich noch heute, wie die vielen gelben Zettelchen belegen.

Der Parcours ermöglicht immer wieder Wechselblicke zwischen den Weltreligionen, zwischen Christentum, Islam und Hinduismus. Kontrastiert werden Feste und Traditionen, bei denen der Umgang mit Nahrung eine besondere Rolle spielt. So zeigt der blutrote Raum zum Thema „Wein“ Bilder von dionysischen Feiern neben christlichen Abendmahlkelchen. Anschließend wird die religiöse Askese dargestellt, die besonders im Hinduismus als Gipfel der Frömmigkeit betrachtet wird.

Genuss und Enthaltsamkeit sind die Pole, zwischen denen die Riten schwanken. Wie essenziell die Einhaltung von Speisegesetzen für die Bewahrung der eigenen Identität ist, verdeutlicht eine ehemalige KZ-Insassin. Sie berichtet, wie der feierliche Tag des Fastens von einigen Gläubigen trotz entsetzlichen Hungers sogar in Auschwitz noch begangen wurde.

Heutzutage floriert das Geschäft mit der Enthaltsamkeit. Die geschichtliche Rundreise endet mit modernen Küchengeräten wie dem „Bug Checker“. Das tragbare Leuchtpult mit Lupe hilft dabei, unkoschere Insekten im Salat aufzuspüren. Aus den göttlichen Geboten hat sich eine globale Industrie entwickelt, deren Kunden heute zu 80 Prozent Nichtjuden sind.

- Jüdisches Museum, Lindenstr. 9 - 14, Kreuzberg, bis 28. Februar, täglich 10 - 20 Uhr, Mo bis 22 Uhr.

Jenny Becker

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