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Andreas Hofer

© Wilfried Petzi

Ausstellung: John Wayne trifft Hitler

Spiel mit Nazisymbolen: Andreas Hofers umstrittene Kunst in Herford.

Harald Schmidts „Nazometer“ würde bei Andreas Hofers unorthodoxer Bildwelt hektisch ausschlagen. Andreas Hofer: nicht der Tiroler Freiheitskämpfer, sondern der 1963 in München geborene Künstler. Autobahn geht gar nicht? Autobahn geht bei Hofer durchaus, ebenso wie Hakenkreuze, SS-Runen und Heimatidyllik. Prunkstück in Hofers aktueller Ausstellung im Kunstmuseum Marta Herford mit dem Titel „The Long Tomorrow“ ist die Ansicht einer deutschen Reichsautobahn, vor der ein strahlendes Liebespaar aus einem amerikanischen Comic ein provokantes Zahnpastalächeln lächelt. Die Autobahn ist schwarz-weiß, das Liebespaar in Multicolor.

Schlüssige Interpretationen sind kaum möglich: Die Zeichnungen, Collagen und trashigen Installationen des Künstlers sind auf maximale Ambivalenz angelegt. Die notorische Uneindeutigkeit erlaubt ihm ein ungestraftes Liebäugeln selbst mit faschistoiden Bildervorräten. Bei seinen Werken hat sich jedenfalls, anders als bei Eva Hermann, noch niemand lautstark aufgeregt. Jan Hoet, seit 2001 Direktor des Marta, hat für den bad boy der Gegenwartskunst zwei Hallen freigeräumt. „The Long Tomorrow“ ist Hofers zweite Einzelschau in einem Museum nach seiner Ausstellung 2005 im Lenbachhaus in München.

Mit Sprühfarbe, Sperrholz, Pappe und Kunststoff hat er in dem manieristisch verspielten Gehry-Bau einen dunkelromantischen, surrealen, paranoiden Kosmos inszeniert: eine Mischung aus Theaterkulisse, schwarzer Messe und Rumpelkammer der Geschichte. Vier übergroße Frauenköpfe und zwei martialische Wächterfiguren begrüßen die Besucher. Die androiden Wächtergestalten haben gewaltige Hummerzangen anstelle von Armen und heißen „Reich“. Der eine Wächter ist eine freundliche Leihgabe des Sammlers Friedrich Christian Flick, Enkel von Friedrich Flick, Gründer des größten Rüstungskonzerns der NS-Diktatur.

Die eigentlichen Blickfänger aber sind zu Raketen umgemodelte Baumstämme. Die himmelsstürmerischen Geschosse münden in Kirchturmspitzen, was sie ein wenig lächerlich macht. Rings um einen aufgemotzten Batman-Altar entspinnt sich auf Zeichnungen und postergroßen Collagen eine krude Privatmythologie: Da zischt Superhero „Human Torch“, die lebende Fackel aus den Marvel Comics, mitten durch das liebliche Genrebild eines einst gefeierten Nazimalers. Vor einem Poster mit Hitlers Neuer Reichskanzlei begegnet man John Wayne als Pappkamerad.

Der Ansatz und in Teilen auch die Ausführung erinnern an Jonathan Meese. Auch dieser entfacht eine Art visuellen Endkampf im Kinderzimmerformat und lässt Symbole lustvoll-spielerisch implodieren. Signiert sind die meisten Werke nicht mit Andreas Hofer, sondern mit „Andy Hope 1930“. Der Künstler verbirgt sich also hinter einem fiktiven Charakter und verlegt seine Kunst in eine Vergangenheit, die vor seiner eigenen Geburt liegt. 1930 erzielte die NSDAP ihren großen Wahlerfolg; das Jahr markiert für den nachmodernen Künstler Hofer außerdem das Abdanken der avantgardistisch-utopischen Kunstströmungen.

Keine leichte Aufgabe, sich auf all das einen Reim zu machen. Postmodernes Zeichenspiel, gepaart mit faschistoiden Untertönen, das ist auch das Erfolgsrezept von umstrittenen Post-Nazi-Rockbands wie Rammstein oder den Böhsen Onkelz. Nicht allen ist bei solcher Ästhetik wohl. Der Kunsthistoriker Helmut Draxler hegt in seinem Katalogbeitrag Restzweifel. Ihm erscheint Hofers Kunst „punktuell politisch problematisch“. Der Belgier Hoet sieht das entspannter. Es sei ganz normal, dass deutsche Künstler „immer wieder die deutsche Geschichte aufarbeiten“. Je länger man sich dem HoferKosmos aussetzt, desto mehr tritt das Geschichtsthema allerdings in den Hintergrund. Das Restglimmen kontaminierter Altlasten erscheint als eine Art Generator für Bilderwucht. Manchmal klappt das, manchmal stürzt es ins Banale ab.

Andreas Hofer gehört wie André Butzer, Bjarne Melgaard und Markus Selg zur erfolgreichen Riege der Berliner Galerie von Guido W. Baudach. Die Werke all dieser Baudach-Künstler sind zwischen martialischer Geste, Ironie und Theweleits „Männerphantasien“ angesiedelt. Manche meinen, das sei inzwischen eine Mode.In Hofers Fall hat der Markt seine Wahl getroffen. Die museale Aufarbeitung und kunstgeschichtliche Einordnung, wie sie gerade in Herford geschieht, spielt eine nachgeordnete Rolle. Und die eifrige Sammlerschar, die für mittlere Formate inzwischen sechsstellige Eurobeträge zahlt, sieht das gefährliche Schillern von Andreas Hofers Werken nicht als Problem an, sondern entdeckt darin einen besonderen Sex-Appeal.

Marta Herford, bis 13. Januar. Katalog (Verlag Buchhandlung Walther König) 38 Euro

Johanna Di Blasi

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