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Newton

© Promo

Ausstellung: Vergiss die Peitsche nicht

Folgen eines Rauswurfs: "Fired“ heißt die neue Ausstellung in der Helmut-Newton-Stiftung Berlin. Sie dokumentiert die Arbeiten des Berliner Fotografen, die Newton seinen Job beim französischen Trendmagazin Vogue kosteten.

„Junie, I’m out“, sagte Helmut Newton zu seiner Frau, als er 1964 aus der französischen „Vogue“ verbannt wurde. Als die damalige stellvertretende Chefredakteurin Françoise de Langlade Wind davon bekam, dass Newton auch für andere Zeitschriften arbeitete, zitierte sie ihn wutentbrannt in ihr Büro, warf ihm Illoyalität vor und verabschiedete ihn aus dem Imperium der Haute Couture.

Diese Anekdote aus der Karriere des 2004 verstorbenen Berliner Fotografen ist der Ausgangspunkt für „Fired“, einer neuen Ausstellung in der Helmut- Newton-Stiftung. Erstmals werden seine Modebilder aus den sechziger und siebziger Jahren gezeigt, etwa die außergewöhnlichen Aufnahmen der Kollektion von André Courrèges. Nicht nur die Entwürfe des französischen Modedesigners – Minirock und Hosenanzüge im futuristischen „Weltraum-Look“– galten als revolutionär. Auch Newtons eindrückliche Bildkompositionen begeisterten: Zwischen metallfarbenen Wänden in klaustrophobisch engen Räumen ließ er die Modelle posieren.

Die avantgardistische Fotostrecke, die der „Vogue“ entgangen war, brachte Newton zu seiner neuen kreativen Heimat „Elle“, wo er fortan seinen innovativen und oftmals provokanten Ideen freien Lauf lassen konnte. Viele seiner Motive wurden damals als regelrecht subversiv empfunden. So setzte Newton nicht nur Kleider und Modelle in Szene, sondern auch sich selbst: Selbstironisch reflektierte er seine Rolle als Fotograf, indem er beispielsweise den Models die Kamera in die Hand drückte – oder sie in einem speziell angefertigten Spiegelkabinett ablichtete. In diesen bahnbrechenden Spiegelbildern taucht Newton, ganz im schwarzen Existenzalistenlook gekleidet und hinter seiner Kamera versteckt, als Randfigur auf.

Viele seiner Ideen für Fotostrecken lieferte ihm seine Muse und Partnerin June, die unter dem Künstlernamen Alice Springs ebenfalls als Fotografin bekannt ist. Die 85-jährige Australierin verwaltet das Erbe ihres Mannes, stöbert in seinem Archiv nach vergessenen Schätzen des Meisters – wie das fast lebensgroße Porträt von Yves Saint Laurent. „Ich hab Yves noch nie mit einem solchen Ausdruck in die Kamera blicken sehen“, sagte June bei der Ausstellungseröffnung. Man spüre förmlich, wie viel Spaß die beiden beim Shooting gehabt hätten.

Ihren Spaß scheinen auch die „naughty girls“, die frechen Mädchen, gehabt zu haben, die Newton für das Magazin „Nova“ fotografierte: Mit Stühlen und Handgranaten werfen sie um sich, boxen mit fratzenhaften Masken und diamantbesetzten Schlagringen in die Kamera. Auch die Bilder der ringenden Frauen dürften provoziert haben: Wie weibliche Gladiatoren rangeln sie mit nacktem Oberkörper und Sandalen vor einem Zelt – eine Kreuzung aus Ferienlager und Peepshow.

Letztendlich ist Newton für ebendiese erotisch aufgeladene Fotografie im Stil seiner legendären Aktserie „Big Nudes“ berühmt geworden: laszive Posen, hochhackige Schuhe, Ketten, Pelze, Peitschen. Was für die einen progressive Fotokunst war, bot wiederum anderen Zündstoff für die feministische Debatte. Anfang der neunziger Jahre hinterfragte Alice Schwarzer, ob die Art, wie Newton Frauen und Fetische inszeniere, „Kunst oder faschistoide Propaganda“ sei.

In der aktuellen Ausstellung im Museum für Fotografie sind meist bekleidete Modelle zu sehen, zumal die Kollektionen von Dior, Ricci, Lanvin und Cardin im Vordergrund stehen. In einigen Aufnahmen herrscht die Atmosphäre eines Hitchcock-Films: eine Frau, im Licht der Abenddämmerung, umrahmt von kahlen Bäumen, den Hut tief ins Gesicht gezogen – selbstbewusst und doch geheimnisvoll. An solch unaufdringlicher Mode fotografie könnte selbst die „Emma“ Gefallen finden.

Helmut-Newton-Stiftung, Jebensstr. 2, bis 17. Mai, Di.–So. 10–18, Do. 10–22 Uhr

Laura Wieland

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