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© Boros

BLÜHENDER BETON: Mit der Kunst durch die Wand

Liebe auf den ersten Blick: Wie der Kunstsammler Christian Boros sein Traumdomizil in Berlin-Mitte verwirklicht hat und aus einem Berliner Weltkriegsbunkers ein Privatmuseum wurde.

Herr Boros, wie sind Sie auf den Bunker gekommen?

Wir suchten keine neutrale Hülle, sondern etwas Typisches für Berlin. In Schanghai hätte man neu bauen müssen, aber hier wird Vorhandenes von der Gegenwart her interpretiert. Es hätte also auch ein Schwimmbad sein können. Im Laufe unserer zweijährigen Suche haben wir uns auch eine Schule angeschaut und ein altes Krankenhaus. Als wir hörten, dass es einen Bunker zu kaufen gibt, war es Liebe auf den ersten Blick.

Eine ungewöhnliche Liebe. Für viele verbinden sich mit dem Ort eher unangenehme Erinnerungen: Krieg, Ängste, Entbehrungen. Wollten Sie sich auch daran abarbeiten, nicht nur an der vorhandenen Materie?

Rein physikalisch ist das meterdicker Beton. Berlin ist voller Zeugen der Vergangenheit. Diese Mahnmale darf man nicht umgehen, man muss sie anpacken.

Konnten Sie das Beklemmende bannen?

Nicht ich habe es getan, sondern die Kunst. Ich war nur die Initiator. Es gibt nichts Sinnstiftenderes, als einem Gebäude, einem Denkmal aus dem „Dritten Reich“, mit dem höchsten Potenzial an geistiger Freiheit – nämlich Kunst – zu begegnen. Andere wollten daraus einen Weinkeller machen, was der falsche Umgang gewesen wäre.

Sie haben die Künstler walten lassen. Steckt dahinter auch Kritik an den Ausstellungsmachern, den Museen?

Meine Frau und ich haben den Vorteil, dass wir mit den Künstlern befreundet sind. Wir haben oft mit ihnen diskutiert, wie überinszeniert, überinterpretiert Kunst sein kann, wenn man sie in fremde Hände gibt. Der Bunker ist kein white cube, er ist hoch aufgeladen. Wenn dann ein Kurator kapriziöse Dinge veranstaltet hätte, wäre das nicht im Sinne der Künstler gewesen. Mein einziger kreativer Akt bestand in der Auswahl der Künstler.

Verstehen Sie Ihre Sammlungspräsentation auch als Modell? Schließlich waren die letzten Jahre von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Museen und Privatsammlern geprägt.

Ja, denn es gibt keine Vermengung. Ich allein trage die Verantwortung – finanziell und inhaltlich. Im Museum wird nur irgendetwas von links nach rechts dazugeschoben. Dann heißt es entweder der Sammler ist zu rigoros in den Forderungen oder das Museum zu inkompetent. Ich habe mein ganzes Leben Kunst gesammelt, so subjektiv wie ich es wollte. Es wäre grotesk, sie dann an ein Museum abzugeben. Das ist wie ein Kind, das man geboren hat und dann aufziehen muss.

Worin besteht der Unterschied zum öffentlichen Museum?

Eine Privatsammlung besitzt keinen objektiven Anspruch wie Museen, die eine Dekade oder Ähnliches repräsentieren müssen. Wir haben nicht den Anspruch von richtig oder falsch, es muss nur unserem Willen und dem der Künstler entsprechen. Das ist befreiend. Ich habe nicht die Zwänge eines Museums. Ich kann es öffnen, wann ich will. Und wenn ich verärgert bin, kann ich es zumachen.

Trotzdem gibt es einen räumlichen Zwang: Sie zeigen nur Skulptur. Funktioniert Malerei im Bunker nicht?

Als Nächstes gibt es eine Malereiausstellung. Da wir so lange mit den Räumen gerungen haben und die ersten drei Jahre Baustellenbesuche nur mit Taschenlampe möglich waren, musste die erste Ausstellung ausschließlich Künstler zeigen, die mit Räumen und Licht arbeiten.

Sie sind ein Selfmade-Mann. Ist dieses „Mit dem Kopf durch den Bunker“ biografisch begründet?

Natürlich habe ich mich auch gefragt, ob es keinen leichteren Weg gibt. Ich bin magisch von harten Nüssen angezogen, deren Knacken mir privates und berufliches Vergnügen bereitet. Ich bin Vollblutunternehmer und jeden Tag auf der Suche nach new business. Das Gebäude ist eine Riesenherausforderung.

Für Sie als Werbemann ist der Bunker auch ein Label, besser kann man seine Sammlung nicht zur Marke verdichten.

Bergsteiger suchen sich die höchsten Berge aus. Natürlich gibt es einen Drang, seine eigene Art und Weise zu vergegenständlichen. Und dies ist eine Vergegenständlichung meines Dickkopfes.

Warum haben Sie sich mit Ihrer Sammlung in Berlin niedergelassen?

Als wir vor fünf Jahren beschlossen, nach Berlin zu gehen, wollten wir dem Beispiel des Ehepaars Hoffmann folgen. Mittlerweile ist Berlin ein Ort der Sammler. Die Stadt ist Dreh- und Angelpunkt internationaler Kunstrezeption. Sie besitzt die meisten Galerien weltweit und ist Standort der Künstler. Insofern kann auch nur hier das Sammeln verortet werden. Ich käme nicht auf die Idee, meine Sammlung in Hamburg oder Köln zu zeigen. Die meisten Arbeiten sind in Berlin entstanden, sie gehören hierher.

Das Gespräch führte Nicola Kuhn.

Christian Boros, 1964 in Polen geboren, kam als Kind nach Deutschland. Er studierte bei Bazon Brock Kulturvermittlung. Seine Agentur betreut Museen, Messen - und Coca-Cola.

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