zum Hauptinhalt
Papst Pius XII.

© Päpstl. Komitee für Geschichtswissenschaften

Ausstellungen: Der Papst, der gern Mercedes fuhr

Kritik und Rehabilitierung: eine vatikanische Ausstellung über Pius XII. im Schloss Charlottenburg zeigt eine anderes Bild, als die des Kollaborateurs des NS-Regimes.

Die Bronzebüste eines asketischen Pontifex, davor ein Bronzemikro. An der Wand: ein verklausuliertes Menetekel. "Dieses Gelöbnis schuldet die Menschheit den Hunderttausenden, die persönlich schuldlos bisweilen nur um ihrer Volkszugehörigkeit oder Abstammung willen dem Tod geweiht oder fortschreitender Verelendung preisgegeben sind." Die Radioansprache stammt vom 24. Dezember 1942. "Eine heillose Weltanschauung, die alles und jedes vom politischen Gesichtspunkt aus sieht und jeden sittlichen und religiösen Gedanken ausschließt" sei für diese Ereignisse verantwortlich. Über der Installation steht: "Hier hören Sie das Schweigen des Papstes." Die ironische Überschrift dient der Rehabilitierung eines verkannten Kirchenfürsten.

"Opus Justitiae Pax. Eugenio Pacelli - Papst Pius XII." heißt die aus dem Kirchenstaat nach Berlin gewanderte Ausstellung im Neuen Flügel von Schloss Charlottenburg. Im Gespräch bemerkt Thomas Brechenbacher, das durch 19 Jahre Pius-Pontifikat geprägte Papstbild entstamme anderen Zeiten, wie auch die Sprache des Papstes. Die Distanz zu den Gefühlen von heute sei enorm. Brechenmacher gehört zu den Historikern, die seit der Öffnung der vatikanischen Archive (bis zum Jahr 1939) Details zur Änderung des Pius-Images recherchiert haben. Es gehe weniger um die politische Person als um die Gesamtbiografie, die "religiöse Größe" des Mannes, seine Theologie und seine Wendung zur Moderne. Das betont auch der päpstliche Chefhistoriker Walter Brandmüller und weicht Fragen nach der Seligsprechung des Antimodernisten Pius aus. Doch dessen verborgenes Heldentum wird heute selten im Kontext von damals verstanden, sondern eher an der medialen Lautstärke eines Woytila gemessen oder am aktiven NS-Widerstand à la Tom Cruise.

Dokumente werden nicht vor 2014 freigegeben

"Das Werk der Gerechtigkeit ist Frieden" wählte der 41-jährige Bischof Eugenio 1917 als Spruch für sein Wappen. Die lateinische Übersetzung dieser politischen Bibel-Prophezeiung liefert der Ausstellung ihren Titel. Zwar wird der unpolitische, der ganze Pacelli vorgeführt: Nuntius in München und Berlin, Kardinalstaatssekretär in Rom, seit 1939 Papst. Da sind die menschlichen Züge, die zur Unnahbarkeit des Adligen nicht passen. Seine Begeisterung für Elektrorasierer und seinen Mercedes, den er als Nuntius fuhr und den Rabauken der Münchner Räterepublik 1918 ramponierten. Sein Faible für Kanarienvögel, die beim Essen rumflattern. Seine Gewänder und Monstranzen, Bilder einer Kunstsammlung, Medaillen mit seinem Profil, Porträts, Statuetten.

Seine Pastoralreisen werden erwähnt, seine Ausgrabung des Petrusmausoleums, die Dogmatisierung der "Aufnahme Marias in den Himmel", sein Heiligsprechungs-Rekord von Frauen. Doch eine säkulare Vermittlung dieser Themen findet nicht statt. Für Kritiker und Skeptiker bleibt jenseits hagiografischer Weichzeichnung wieder nur der Focus auf die garstige Politik. Dass der Kardinalstaatssekretär das Konkordat zwischen Heiligem Stuhl und NS-Regime verharmloste, dass er als Antibolschewist die Regimetreue deutscher Bischöfe förderte, kann nicht mehr seriös behauptet werden. Pius, lange als "Hitlers Papst" diffamiert, wurde von den Nazis als harter Gegner eingestuft. Die 16 Millionen Dokumente seines Pontifikats werden wohl nicht vor 2014 freigegeben; seine Reaktion auf den Holocaust lässt sich derzeit nur fragmentarisch rekonstruieren.

Rolf Hochhuts weigert sich, neue Forschungsergebnisse anzunehmen

Im Sommer 1942 soll Pius XII., nachdem ein klares Hirtenwort holländischer Bischöfe mit der Deportation jüdischer Katholiken bestraft worden war, eine zum Druck bestimmte Anklage der NS-Verbrechen zerrissen und verbrannt haben. Im Herbst redet man in der Anti-Hitler-Koalition über Millionen Ermordete; zu einer Note ist der Papst nicht zu bewegen. Doch sieben Tage nach einem Artikel in der "New York Times" folgt seine Weihnachtsansprache, die von der SS als Attacke, von Goebbels als unverbindlich eingeordnet wird. Im Sommer 1943 spricht er vor Kardinälen von der "Ausrottung" Schuldloser. Im November muss sein Nuntius dazu bei Hitler vorsprechen, der wütend ein Glas Wasser durchs Zimmer schmeißt.

1944 gelingt es dem Papst, durch ein Telegramm an den Regenten Horthy Deportationen in Ungarn kurzzeitig zu stoppen. Als die Deutschen Rom besetzen, werden von dort 1007 Juden nach Auschwitz verschleppt - und 8500 in kirchlichen Häusern versteckt, auch in Zimmern des Papstes. In seinem Schlafraum im Sommersitz Castelgandolfo kommen Kinder zur Welt. Schätzungen zufolge rettete die päpstliche Hilfe hunderttausende Juden in ganz Europa.

Dass das positive Bild fünf Jahre nach Pius' Tod in die schwarze Legende vom Kollaborateur verkehrt wurde, ist Rolf Hochhuts Theaterstück "Der Stellvertreter" von 1963 zu verdanken. Bis heute weigert sich der Autor, neue Forschungsergebnisse anzunehmen. Auch die apologetische, auf ehrenwerte Fakten reduzierte Ausstellung verkennt die Tragik Pacellis. Zwei Traumata, der preußische Kulturkampf und die eigene missglückte Friedensmission im Ersten Weltkrieg, sollen diesem politische Zurückhaltung beigebracht haben. Seine Größe, sein Versagen am Abgrund der Angst wäre eher durch eine Erzählung zu erfassen, die auch seine Schwächen berücksichtigt.

Schloss Charlottenburg, Neuer Flügel, bis 7. 3; Mi bis Mo 10-17 Uhr. Kat. 24,90 €

Zur Startseite