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Düsseldorfs Museum K21: Thema mit Variationen

Höhere Ordnung: Düsseldorfs Museum K21 präsentiert seine Sammlung der Moderne neu.

Die Metronome sind aus dem Takt, ein jedes misst die Zeit ein bisschen anders. Das ungleiche Ticken der kleinen Bodenarbeit von Martin Creed verfolgt einen durch die Gänge, die sich um den Lichthof des Düsseldorfer K21 über drei Etagen bis unter die gläserne Kuppel schrauben. Das ehemalige Ständehaus, das seit 2002 den zeitgenössischen Teil der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen beherbergt, wirkt wie leergefegt. Bis man seine Arkaden verlässt und in die angrenzenden Räume geht. Hier werden die Bilder und Skulpturen zur Wiedereröffnung der Institution neu präsentiert – und zwar so, wie es bislang weder das Ständehaus noch die Kunstsammlung am Grabbeplatz erlebt hat.

Kein Spektakel, aber eine spektakuläre Entscheidung. Marion Ackermann, die junge Direktorin beider Häuser, hebt die Trennung der Sammlungsbestände auf und mischt die Jahrzehnte. Zu Recht, denn das K21 war nie ein Ort nur für zeitgenössische Produktion. Stattdessen zeigte es im Untergeschoss wechselnde Ausstellungen etwa von Daniel Richter oder Jorge Pardo – und in den anderen Etagen mit Imi Knoebel, den Bechers oder Katharina Fritsch die etablierten Positionen des späten 20. Jahrhunderts.

Schluss also mit der willkürlichen Trennung in diverse Etappen der Moderne. An ihre Stelle tritt in Düsseldorf eine andere Form der Kombination, die sich in immer mehr Museen beobachten lässt: Ihre Kuratoren hängen die Exponate nicht länger chronologisch, sondern orientieren sich an inhaltlichen Kriterien. Wechselseitige Einflussnahme, Sinnzusammenhänge, Variationen oder die Entwicklung eines Themas über Generationen. Solche Kriterien rangieren inzwischen vor der reinen Vermittlung von Kunstgeschichte. Vergleichendes Sehen tritt an ihre Stelle. Es lässt Kuratoren und Betrachtern mehr Spielraum bei der Interpretation, setzt aber auch einiges Wissen voraus.

In Düsseldorf kann man sich diese Informationen anlesen. Auch deshalb sind die Gänge so leer – weil die Wände neben einer etwas albernen Grafik kluge Texte zur Einstimmung auf die Räume tragen, in denen Gemälde von Pierre Bonnard, George Braque und Marc Chagall mit haarigen Beinskulpturen von Robert Gober, einer monströsen Maus von Katharina Fritsch oder der hölzernen „Bauchlochfrau“ von Paloma Varga Weisz gegenübergestellt werden. Drei Monate lang, bis auch das K20 wieder eröffnet und die Sammlung erneut gemischt wird, bleibt nun Zeit für Erkundungen und Einsichten. Und für die Erkenntnis, dass Chaos und Ordnung, Liebe und Schmerz treibende Themen durch alle Zeiten sind.

Manche Arrangements wie das einer minimalistischen Installation von Donald Judd mit einem Gemälde von Henry Matisse sind schier überwältigend. Zumal beide Werke den Raum mit kräftigen Farben füllen und zum Leuchten bringen. Andere Verbindungen lassen sich kunsthistorisch belegen, manches dagegen gerät zu sinnfällig. So teilt sich das riesige Haus „Zwei Familien“ von Thomas Hirschhorn einen Raum mit Max Beckmanns Gemälde „Die Nacht“. Zwei Arbeiten, in denen Gewalt so offensichtlich ist, dass man keine gedanklichen Fäden mehr zu spinnen braucht – alles liegt klar vor Augen.

Insgesamt ist Marion Ackermann jedoch ein guter Start geglückt. Trotz einer unglücklichen Debatte um Reinhard Muchas „Deutschlandgerät“, die die frühere Leiterin des Stuttgarter Kunstmuseums kurz nach ihrem Wechsel angezettelt hatte. 1990 war die raumgroße Arbeit im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig zu sehen, vor acht Jahren integrierte der Künstler sie mit großem Aufwand in den Plenarsaal des Ständehauses. Gegen Ackermanns Absichten, die Installation abzubauen und einzulagern, um den einzigen größeren Saal im Ständehaus für wechselnde Präsentationen nutzen zu können, protestierten im Dezember letzten Jahres Künstler wie Kritiker.

Noch steht Mucha als Solitär im Haus, ein kleines Gemälde von Giorgio Morandi bildet den winzigen Kontrapunkt. Doch die Pläne gibt es weiterhin, und wer die architektonische Situation des Museums kennt, das bislang kein echtes Zentrum hat, der versteht, dass der Plan nicht auf Missachtung beruht, sondern echter Platznot geschuldet ist.

„Silent Revolution“, die Ausstellung zur Premiere, ist sicher kein Konzept für die ganze Kunstsammlung Nordrhein Westfalen. Aber eine geschickte Strategie, um mehr Publikum in das bislang geschmähte K21 zu bringen. Manche Gemälde von Mondrian, Schlemmer oder Picasso wirken in den beschränkten Räumlichkeiten sogar intensiver als in den Hallen am Grabbeplatz. Zusammen mit dem breiten pädagogischen Programm, das Ackermann künftig anbieten will, könnte das K21 bald zur gefragten Adresse werden. In Stuttgart war es ähnlich. Da hat sie aus einem müden Museum einen turbulenten Ort gemacht.

K21 Ständehaus, Düsseldorf, bis 13. Juni.

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